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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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dass ich mich bloß zurückscheren soll?!“
    „Bildet die erste Linie der Armee gegen Taus hin!“, schnauzte Cesarini, schien sich jetzt wieder gefangen zu haben. „Ich schicke Euch Verstärkung zu, sobald ich einen Überblick habe …“
    Der Dunkelhaarige, ohne ein weiteres Wort, ritt ab; durch ein Heerlager, das sich in völliger Auflösung zu befinden schien. Und von Domažlice her, als der Wind sich nun drehte, waren auf einmal die Trommeln und Kesselpauken der Hussiten zu hören. Etwas wie ein dumpfes Brausen zugleich auch, und als Albrecht seine Truppen vorne wieder erreichte, wurden die Töne deutlicher unterscheidbar. Um einen vieltausendstimmigen, sehr ernsten Gesang handelte es sich; ein Waibel des Wittelsbachers, der die slawische Sprache beherrschte, übersetzte halblaut die Worte: „Die wir Gottes Streiter sind …“ 37
    Ein Frösteln fühlte der Herzog unter dem Harnisch; eine ungeheuerliche Wahrheit meinte er aus dem Choral herausbrechen zu hören. Wenn es denn so kommen soll, dann haben wir es nicht anders verdient, dachte er wirr. Mühsam, wobei das dumpfe Brausen nun aus seinem eigenen Schädel zu kommen schien, gab er sodann seine Befehle.
    Die Oberländischen und Straubinger bildeten noch so etwas wie eine provisorische Front. Gemeinsam mit ihnen bereiteten sich auch ein paar andere kleine Einheiten unter den wenigen entschlossenen Offizieren auf den Zusammenstoß vor. Hastig wurden Lanzenrechen aufgebaut, ein halbes Dutzend Kanonen in Stellung gebracht, die Lunten der spärlich vorhandenen Arkebusen entfacht. Der dünne Schwarm der bayerischen Kavallerie sammelte sich um den Münchner. Einen Augenblick lang war Albrecht versucht, die Reiter in eine Attacke zu hetzen; selbst mitzugaloppieren. Dann wäre es wenigstens gleich vorbei, schoss es ihm durchs Gehirn; im Handumdrehen wären wir allesamt abgeschlachtet von denen dort drüben. Mit dem nächsten Herzschlag ließ ihn der Gedanke an die Blonde vor dem Wahnwitz zurückschrecken. Am bedrohlichen Anblick der unaufhaltsam vorstoßenden Hussiten änderte dies freilich nichts.
    Die Kampfwagen der Ketzer näherten sich in sichelförmigen Formationen, wobei die nach vorne gerichteten Spitzen gegen den Feind wiesen. Jeder Angriff des Reichsheeres musste sich auf diese Weise unweigerlich aufsplittern; die einzelnen Abteilungen würden sich gleich darauf jeweils in einen Dreiflankenkampf verwickelt sehen. Von den Kriegskarren herunter würden die hussitischen Hafnitzen 38 Tod und Verderben speien; käme doch ein Gepanzerter bis zu den rollenden Festungen durch, so würden die tückischen Sichellanzen 39 seinem Ross den Rest geben. So würde das Rückgrat der katholischen Armee schon beim ersten Zusammenstoß gebrochen werden – und dann würden die böhmischen Fußtruppen angreifen, die den dahinpolternden Ochsenwagen in hellen Scharen folgten.
    Real und zugleich wie in einem Wachtraum sah und erwitterte der Herzog von Bayern-München dies alles; in eine Falle waren die Bekreuzten gerannt; während der verfluchte Cesarini die vielen Unschuldigen hatte schlachten lassen, hatten die Hussiten den militärischen Aufmarsch meisterlich organisiert. Und jetzt würde das Gottesgericht über die Römischen kommen; wirr hatte der Wittelsbacher es vorhin schon geahnt, nun wurde es ihm zur Gewissheit. Dann, in seine Verzweiflung und die daraus resultierende plötzliche Lähmung hinein, krachten die ersten Hafnitzenschüsse.
    In ihren einzelnen Detonationen unterscheidbar noch kam die einleitende Salve, der Auftakt zur Katastrophe, doch nur wenige Augenblicke später spuckte die gesamte Front der Kampfkarren die schwefeldämpfigen Qualmwolken und die glühenden Geschosse aus sich. Vollkugeln und gehacktes Blei fauchten und zwitscherten heran; verheerend traf es die vorderste und einzige katholische Widerstandslinie. Dutzendfach fegte es die Männer von den Füßen; wie ein makabrer Tanz sah das aus – zunächst noch, im ersten Moment –, aber dann sprudelten die Blutfontänen aus den Mündern, krallten jäh blutleer gewordene Hände sich in heraustretende Eingeweide, stachen Knochensplitter wie blasphemische Runen aus menschlichem Fleisch heraus. Während die Leiber sich noch krümmten, sich bäumten, während andere bereits verzuckten oder schon still dalagen, heulten die nächsten Salven heran, und die waren nun gegen das Gros des Reichsheeres gerichtet; gegen das hunderttausendfach zusammengeballte Miasma, das sich in heilloser Verstörung und

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