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Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin

Titel: Agnes Bernauer - Hexe Hure Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Handflächen der noch immer Zwanzigjährigen und dennoch sichtlich Gealterten krümmten sich ein, in den Stein krallten sich ihre Nägel – und dann gewahrte sie plötzlich auf dem Treidelpfad am südlichen Stromufer die Bewegung. Etwas Vertrautes löste sich heraus aus dem Dunst, vage ein Gepanzerter auf einem Rappen; hinter ihm, gleich darauf, tauchten andere Reiter auf. Agnes schrie und wusste es nicht; in der Turmluke wäre sie um ein Haar zu Fall gekommen, sie schrammte sich das Handgelenk auf, war – wie es ihr schien – mit dem nächsten gehetzten Atemzug unten, überquerte den Hof, bettelte die Wachen an, das Tor zu öffnen. Die weigerten sich, das Risiko ohne Befehl des Hauptmanns einzugehen, ließen die Blonde aber schließlich durchs Nadelöhr 40 hinaus. Sie rannte weiter, wie um ihr Leben, wie buchstäblich um ihr Da-Sein jetzt, zugleich raste auch von drüben, wie aus einem zerberstenden Jenseits heraus, der Rappe heran, und sie hörte den Ruf Albrechts: ihren Namen, gejauchzt und dazu wie von einem Seelenbersten durchschüttert.
    Die Zeit, bis sie förmlich gegen das mühsam gezügelte Ross prallte, wurde ihr noch einmal unendlich lang, aber dann fühlte sie sich aufgefangen und gepackt in einem. Im Sattel kam sie wieder zu sich, wie ein Kind hielt er sie in seinen Armen geborgen, und sie achtete des Schweißdunstes nicht und nicht des eingekrusteten Blutes an seinem Panzer; sie suchte nur wieder und immer wieder seinen Mund.
    Dieser Mund stammelte, biss zu, war eine Wunde, fand keine verständlichen Worte, stammelte aber unentwegt das eine – bis hinauf in die Kemenate, bis in den Schutz des Beilagers. Dort wühlte der Wittelsbacher, der so viel zerrissenes, geschändetes und missbrauchtes Fleisch gesehen hatte, sich hinein ins Fleisch der Blonden; ihr Schoß wurde ihm zur Fluchtburg gegen all das andere, ihre Brüste waren ihm Nahrung, weit über alles Körperliche und selbst Metaphysische hinaus. Ans Fleisch der Einzigen sich klammernd, mit ihr in einem Rhythmus sich wiegend, in ihre Wärme und ihr Zucken einsinkend, fand der Dunkelhaarige zurück ins Leben, fand er im Spiral von kreatürlicher Schamlosigkeit, göttlichem Orgasmus und menschlicher Erschöpfung zuletzt den Sinn wieder. Und was sie ihm auf diese Weise schenkte, gab er ihr Herzschlag um Herzschlag zurück; als Agnes das Pulsen seines Samens fühlte, schien draußen in der Nacht ein lange nicht mehr existenter Strom erlösend in sein Bett zurückzufließen; schienen die Wunden einer Erde, die zutiefst gepeitscht und gegeißelt worden war, sich wundersam wieder zu schließen.
    Nach dem Sichwiederfinden und dem vernetzten Schlaf dann, draußen kündigte sich ganz zart schon der neue Morgen an, fand Albrecht die Kraft zum Reden. Ins durchlittene Grauen bezog der Herzog die Augsburgerin ein; auch wenn es ihn schmerzte, auch wenn er es ihr nur zu gerne erspart hätte. Doch sie war sein Weib, deswegen durfte nichts Ungesagtes, nichts Trennendes sein zwischen ihnen; das Schweigen hätte inwendig etwas abgewürgt letztlich, das Teilen – auch des Entsetzlichsten – barg in sich den einzig zukunftsweisenden Keim. Aus diesem Grund – nicht vom Verstand freilich, sondern vom Instinkt getrieben – schonte der Dunkle die Blonde nicht, und sie nahm das Fürchterliche hin, um es wenigstens hälftig von ihm zu nehmen; um es künftig gemeinsam zu tragen mit ihm. Und dies war gleichzeitig die zweite Hälfte seines Heimkehrens, nach dem Sich-absolut-in-ihr-verlieren-Dürfen in der Nacht, und als er das wiederum innerseelisch begriffen hatte, wusste der Herzog auch, dass es zwischen ihr und ihm von jetzt an nie wieder so sein würde wie ehedem; dass sie beide nach Taus zu noch tieferer Liebe gefunden hatten – oder vielleicht auch hineingetrieben worden waren in einen bitter-verzückten Abgrund, der sie künftig mehr denn je von den Menschen trennen würde.
*
    Albrecht von Bayern-München besiegelte dieses Wissen schon wenige Wochen später durch ein Unterpfand. Drüben in der Alb geschah es; im herbstlich duftenden Wildgras rastete das Paar nach einem eher stillen Ritt; tiefer am Hang, unter heute noch einmal altweibersommerlich mildem Himmel, brachten etliche Bauern das letzte Grummet ein. Aus dem Betrachten heraus, aus dem Schweigen, griff der Wittelsbacher in seine Gürteltasche; erstaunt, erschrocken fast sah die Mooräugige gleich darauf in seiner Hand den Ring glitzern. Mit Ausnahme der Kette, damals in Augsburg, hatte Albrecht ihr noch nie

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