Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)

die Organisation dieser Konzerte ist vorbildlich. ABBA reisen mit einer großen Anzahl von Musikern, um auf einer Bühne möglichst einen Klang zu erzeugen, der sich mit dem Studiosound deckt, den die Fans von den Platten kennen. ABBA werfen sich auch mit Nachdruck in ihren Act, geben auf der Bühne alles. ABBA sind 1976 zum weltweiten Phänomen geworden. Die einzigen Länder, in denen ihre Platten nicht verkauft werden, sind Vietnam, Nordkorea und China.
    Leider ist es im Leben so, dass Erfolg sofort Neider auf den Plan ruft. Wenn man den Status eines Superstars bekommt, wird man für die Menschen auch unwirklich, zu Göttern erhöht und bietet freien Raum für Identifikationen. Und man weckt in vielen Menschen den Wunsch, diese Götter zu stürzen, auf dass sie wieder „normal“ werden. Gerade das unbeschwerte Bild, das ABBA in der Öffentlichkeit abgeben, zieht Missgunst auf sich. Das äußert sich daran, dass in dieser Zeit immer stärker ein Gerücht verbreitet wird, dass ABBA bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein sollen. Angeblich habe nur Frida den Crash überlebt. Das Gerücht ist besonders bösartig, weil Agnetha schon mehrmals in Interviews erwähnt hat, dass sie Flug-angst hat. Diese Angst steigert sich nun Stück für Stück und wird bald ins Unermessliche überschlagen, sich zu einer Serie von Panikattacken auswachsen. Agnetha besteht in ihrer ersten Angst darauf, dass Björn immer ein anderes Flugzeug nimmt, da sie nichts mehr fürchtet, als dass Linda mit einem Schlag beide Eltern verlieren könnte. Björn lehnt es ab, dieser Angst nachzugeben. Auch logistisch wäre die getrennte Fliegerei schwierig umzusetzen. Agnetha fühlt sich dadurch missverstanden. Den einzigen Schluss, den sie dann daraus aus Trotz ziehen kann, ist der, einfach zu Hause zu bleiben. Sie hat das Gefühl, dass sie die einzige ist, die die Verantwortung als Elternteil wirklich wahrnimmt. Dazu gehört auch immer wieder die quälende Frage, ob der Erfolg der Eltern Linda negativ prägt und ihre Entwicklung hemmen kann. Sicherlich wird Linda so einen Prägestempel bekommen, der sie entweder „hauptberuflich“ zur Tochter ihrer Eltern machen oder in künstlerische Bahnen lenken wird. Kann man sich für eine Tochter Agnethas ein anderes Leben denken als das einer Sängerin im Gefolge der berühmten Mutter? Jedenfalls ist es schwierig, sich vorzustellen, dass sie irgendwo eine Bäckerlehre beginnen oder wie ihre Mutter in eine Telefonzentrale arbeiten gehen soll. Zu den Aufgaben einer Mutter, meint Agnetha, gehört auch, die Kleine auf dem Weg ins Plattenstudio zu begleiten. Sie übernimmt den Musikunterricht ihrer Kleinen und wird auch mit beiden Kindern später eine Schallplatte einspielen, um sie am Markt als Künstler einzuführen. Zwar wird keines der Kinder diesem Weg dann auch folgen, aber immerhin macht sich Agnetha Gedanken über die Zukunft ihrer Sprösslinge.
    Agnetha: „Linda hat schon ein bisschen zu singen begonnen. Ich habe ihr erklärt, wie das mit uns ist. Sie kann sich nicht vorstellen, dass andere Eltern nicht im Fernsehen und in den Zeitungen sind. Wir versuchen sie möglichst vor der Presse zu beschützen.“
    Die Öffentlichkeit erfährt 1976 noch nichts Offizielles über Agnethas und Björns Eheprobleme. Interessant ist allerdings, dass Agnetha sich damals einen Spaß daraus macht, Reportern zu erzählen, dass sie mit Björn nicht mehr kreativ „zusammenarbeiten“ könne. Es ist der Ausdruck ihres wachsenden Frustes darüber, dass Björn und Benny bestimmen, wohin es mit ABBA gehen soll, und dass sie sie in diesen kreativen Prozess nicht mehr einbinden.
    Agnetha: „Es ist wirklich komisch, aber ich kann mit ihm nicht zusammenarbeiten. Es ist unmöglich, mit ihm gemeinsam ein Lied zu schreiben.“
    Ein häufiges Thema in den Interviews ist auch die Tatsache, dass Presse und Fans kein Privatleben mehr zulassen. Agnetha macht darüber Scherze oder spielt das Problem herunter, um die Fans nicht ganz abzuschrecken. Trotzdem ist schon wieder ein Umzug fällig, um den Scharen zu entfliehen. Diesmal ist es ein anderes, weniger zugängliches Haus auf der Reicheninsel Lidingö, ein Domizil, das knapp fünf Kilometer nordöstlich vom Stadtzentrum von Stockholm liegt, und durch einen breiten Meeresarm vom Festland getrennt wird. Fußgänger verirren sich in diese Gegend eher nicht mehr hin. Trotzdem ist das Wohnviertel mit dem Auto innerhalb einer halben Stunde von Stockholm aus zu erreichen – es führt