Agrarwende jetzt
hilfreich, wenn mündige Verbraucher bewusst entscheiden, wo sie ihr Fleisch oder Benzin kaufen. Verbraucherschutz heißt nicht nur, regionales Schweinefleisch zu kaufen, sondern auch alle internationalen Schweinereien zu boykottieren. Wir müssen unsere Ansprüche drastischer formulieren und konsequenter agieren. Ohne USA kann die übrige Welt den Klimaschutz viel intensiver vorantreiben. Irgendwann können sich auch die US-Amerikaner dem Klimaschutz nicht mehr entziehen.
Weitere »Natur«-Katastrophen und hoffentlich auch die Wähler in den USA werden dafür sorgen. Die Bilanz der Umweltpolitik zehn Jahre nach dem Rio-Erdgipfel lautet ohnehin: kontinuierlich mehr Umweltverträge, Umweltgesetze und Umweltkonferenzen, aber der Umwelt geht es trotzdem immer schlechter. Vom nachhaltigen Wirtschaften sind wir Lichtjahre entfernt.
In dieser Situation nehmen folgende Fragen an Bedeutung zu: Was können uns der Sonnengesang des heiligen Franziskus oder die ökologischen Bilder Jesu heute konkret und praktisch sagen? Was können wir lernen von Jesu Vorschlag, die »Vögel des Himmels« und die »Lilien des Feldes« zu betrachten und durch ihr Verhalten Urvertrauen zu gewinnen?
Was Jesus meinte, drückt der Dalai-Lama heute so aus:
»In der heutigen vernetzten Welt können Individuen und Nationen viele ihrer Probleme nicht mehr eigenständig lösen. Wir brauchen einander. Wir müssen daher ein Gefühl universeller Verantwortung entwickeln … Es ist unsere individuelle und kollektive Verantwortung, die Familie der Lebewesen auf diesem Planeten zu schützen und zu erhalten, ihre schwachen Mitglieder zu stützen und schützend für die Umwelt zu sorgen, in der wir alle leben.«
Wahre Spiritualität bedeutet also, uns bewusst zu sein, dass wir in wechselseitigen Beziehungen mit allem und jedem stehen: mit Menschen und Tieren, mit Pflanzen und Bäumen, mit Sonne und Regen, mit Boden und Luft, mit Wasser und Wind, mit dem Licht von Mond und Sternen.
Auf einer nordamerikanischen Konferenz von Christen und Ökologen wurde gefragt:
Wie viel Luft werden wir noch vergiften?
Wie viele Arten werden wir noch ausrotten?
Wie viele Menschen werden noch an Umweltgiften sterben, bevor wir lernen, die Schöpfung und das Leben wirklich zu lieben, bevor wir lernen, unsere Mutter Erde als Heimat zu lieben?
Auch ökologisch bleibt die Bibel das Buch der Bücher. Natürlich kann man auch jenseits des Neuen Testaments Literatur ökologisch lesen: zum Beispiel Günther Grass’ Roman »Die Rättin«, vieles von Goethe, Sten Nadolnys »Die Entdeckung der Langsamkeit«, Tolstoi, einiges von Bert Brecht, Franz Kafka oder Eugen Drewermann. Sie alle wirken ökologisch-literarisch subversiv - und das Subversive war schon immer das Kriterium wirklicher Weltliteratur. Viele aktuelle Ökolyrik büßt neben diesen »Klassikern« an Bedeutung ein.
Der ehemalige brasilianische Umweltminister José Lutzenberger warnte schon 1991 in der Londoner Sunday Times:
»Die moderne Industriegesellschaft ist eine fanatische Religion. Wir demolieren, vergiften und zerstören alle Lebenssysteme auf diesem Planeten. Wir zeichnen Schuldscheine, die unsere Kinder nicht werden einlösen können... Wir handeln, als seien wir die letzte Generation auf unserem Planeten. Ohne einen radikalen Wandel in unserem Herzen, in unserem Geist und in unserer Vision wird die Erde enden wie die Venus: tot und verkohlt.«
Zusammen mit José Lutzenberger und anderen 2 ) habe ich 1995 den »globalen ökologischen Marschallplan« initiiert, 750 000 Menschen in Europa haben unsere Forderung nach einer Agrarwende, Energiewende und Verkehrswende unterstützt. Doch die Verantwortlichen in der Politik haben außer mit wohlfeilen Worten nicht reagiert. Spätestens damals wurde mir klar, dass von der Politik die große Wende nicht zu erwarten ist. Sie kann nur von unten, aus der Gesellschaft, kommen.
Jesus sagt in der Bergpredigt: Gott »lässt seine Sonne scheinen auf böse wie auf gute Menschen« (Matthäus 5,45). Und diese Sonne schickt uns 15 000-mal mehr Energie, als zurzeit alle Menschen auf der ganzen Erde verbrauchen. Die Lösung steht am Himmel. Wir brauchen weder Atomkraftwerke, noch Ölraffinerien, noch riesige neue Löcher in der Landschaft wie Garzweiler II, noch Erdgas aus Sibirien. In 50 Jahren könnten wir, wenn wir Jesu Hinweis auf die Sonnenenergie richtig verstehen, alle Energie aus Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse gewinnen und die gesamte Landwirtschaft auf
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