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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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vergeblich. Die Germanen hatten ihn mit groben Stricken an Händen und Füßen gefesselt, in seinem Mund steckte ein Tuch, das nach Pferd und Schweiß stank. Er befand sich offenbar im Boot der Germanen, das hastig ans andere Ufer strebte. Aus zugekniffenen Augen beobachtete Valerius, wie sich vier Sugambrer mit den schweren Rudernabmühten, ein weiterer, offenbar der Anführer des kleinen Trupps, hielt das Steuer. Die Leichen ihrer beiden gefallenen Kameraden hatten sie in das Boot gelegt und mit Reisig bedeckt.
    Das andere Ufer war erreicht. Die Männer zerrten den römischen Offizier ins Wasser und zogen ihn an den gefesselten Armen ans Ufer.
    » Wafne kal tiu malis!« , schrie ihn der Anführer an und versetzte ihm einen derben Schlag auf die Schulter, der Valerius in die Knie zwang. In seinem Kopf tobte ein nicht enden wollender Schmerz, offenbar Resultat des Schlags an die Schläfe, der ihn zu Boden gestreckt hatte. Und auch der linke Arm schmerzte pochend. Die Wunde war mit einem schmutzigen Tuch notdürftig verbunden.
    Die Sugambrer zogen das Boot an Land und versteckten es in einem dichten Holundergebüsch. Eilig durchquerten sie den dichten Eichenwald bis zu einer Lichtung, auf der acht Pferde standen und geduldig die Ankunft ihrer Reiter erwarteten. Sie legten die beiden Leichen über eines der Pferde, den gefesselten Tribun auf das andere, und ritten in gemächlichem Tempo über den schmalen Waldweg, der sich durch die dichte Bewaldung schlängelte. Die Männer unterhielten sich in ihrer fremden Sprache und schienen trotz ihrer beiden toten Kameraden durchaus guter Laune zu sein.
    Nach etwa einer halben Stunde öffnete sich der Wald allmählich und gab den Blick auf eine ansteigende Ebene in sattem Grün frei. Die Sonne hatte sich weiter verfinstert, und die wenigen Strahlen, die noch ihren Weg durch die schwarzen Wolken fanden, tauchten die Gegend in ein gespenstisches Zwielicht. Die Germanen erhöhten ihr Tempo. Valerius’ Kopf schlug jetzt immer wieder gegen den harten Leib des Pferdes, und bei jedem Aufprall schoss ein neuer Schmerzblitz durch sein Haupt. Mit einem Mal öffnete der Himmel seine Schleusen, und Sturzbäche kalten Regens ergossen sich über die Reiter. Die Germanen schien das nicht zu stören. Sie lachten und wiesen mit ihren Händen auf den dunklen Himmel.
    Schließlich signalisierte aufsteigender Rauch schon von weitem ihr Ziel: eine kleine Siedlung. Sie bestand aus kaum mehr als zwanzig lang gestreckten, mit Schilf und Moos bedeckten Häusern, die sich um einen Platz herum gruppierten. Wie zum Schutz standengewaltige Eichen und Buchen um das Dorf herum und ließen nur einen Zugang frei.
    Der zurückkehrende Zug erregte Aufsehen. Die Frauen ließen ihre Arbeit liegen, die Kinder beendeten ihr Spiel. Die Gruppe machte mitten auf dem Platz Halt, dicht umlagert von den Dorfbewohnern, die sich freudig näherten. Doch als man die toten Germanen auf den Pferden erblickte, verwandelte sich diese Freude in Wut. Die Frauen stimmten ein infernalisches Geheul an, sie traten und bespuckten Valerius, den man inzwischen vom Pferd gezerrt hatte. Selbst die Kinder warfen kleine Steine und Eicheln auf den Römer, der ihnen schutzlos preisgegeben war.
    Ungerührt schauten die Männer zu. Sie hielten sich zurück. Es galt ganz offensichtlich als unmännlich, einen gefesselten Feind zu quälen. Die Frauen und Kinder traten ungeniert an den Römer heran, hier zog eine ihre langen Fingernägel quer über den Arm, eine andere zog mit aller Kraft am Haarschopf des Römers, eine stinkende alte Greisin betastete schamlos das Geschlecht des Gefangenen unter dessen zerfetzter Tunika. Dabei verzerrte ein höhnisches Grinsen ihr zahnloses Maul.
    » Tak hinu man alet! Wicht thiu donar mendar!«
    Wie ein Donnerschlag tönte dieser Ruf über den Platz, und sofort wichen alle von dem Gefangenen. Aus dem größten Haus in der Mitte des Dorfes war majestätisch ein Mann mittleren Alters hervorgetreten, der Dorfälteste. Ehrfürchtig machten ihm alle Platz, und das Geschrei verstummte. Mit federnden Schritten trat der Mann, der an Körpergröße fast alle überragte, auf den Tribun zu. Sein zerzauster Bart trug schon erste silbrige Fäden, und auch das graue Haupthaar, das früher einmal flachsblond gewesen sein musste, begann sich zu lichten. Neben ihm ging ein Mann, der mit seinen tiefschwarzen kurzen Haaren gar nicht hierher passen wollte.
    Der alte Hüne gab jetzt einen leisen Befehl, und zwei Männer schleppten

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