Agrippina - Kaiserin von Rom
Offizier. Die Wilden hier haben zwar keine Ahnung, was ein Prätorianertribun ist, aber dass du ein hohes Tier bist, ahnen sie.«
»Und was bedeutet das?« Valerius begann, sich zunehmend unwohler in seiner Haut zu fühlen.
»Sie werden dich ihren Göttern opfern. Sie werden dich bei lebendigem Leib auf dem Opferaltar verbrennen. Sie warten nur noch auf Neumond.«
»Was sagst du da? Verbrennen? Bei lebendigem Leibe? Sind das überhaupt Menschen?«
»Ja, Tribun! Es ist, wie ich sage. Sugambrer kennen keine Gnade!«
»Spricht keiner von ihnen unsere Sprache?«
»Einige kennen ein paar Brocken. Einer aber von ihnen spricht perfekt Latein, und auf den warten sie, denn die Barbaren trauen meinen Übersetzungen nicht.«
»Und wer ist das?«
»Er heißt Catuvolcus und hasst die Römer aus tiefstem Herzen. Sein Großvater war der Eburonenhäuptling, den Cäsar getötet hat. Wie du wahrscheinlich weißt, hat Cäsar nahezu alle Eburonen ausgerottet. Catuvolcus hat seine ganze Familie verloren. Jetzt genießt er das Gastrecht der Sugambrer und hetzt sie von morgens bis abends gegen uns auf. Ein übler Kerl! Nimm dich vor ihm in Acht. Statt mit Muttermilch wurde er mit List und Tücke großgezogen!«
Valerius schüttelte nachdenklich seinen Kopf. Seine Armwunde begann wieder heftig zu schmerzen.
»Und woher kann dieser Bursche so gut Latein?«
»Es heißt, er sei als Kind nach Rom verschleppt worden und habe später jahrelang dort als Gladiator gekämpft. Dann aber sei es ihm gelungen, aus Rom zu fliehen. Dabei muss er den Aufseher und mehrere Wachen getötet haben, jedenfalls rühmt er sich immer wieder dieser Tat.«
»Und wann wird er zurückerwartet?«
»Jeden Augenblick! Er ist auf der Jagd.«
Die ältere Frau, die Valerius gewaschen und verbunden hatte, trat ein und unterbrach ihr Gespräch. Wortlos schickte sie Manliusmit einer Geste hinaus und deutete auf die Armwunde. Der Tribun hielt ihr seinen Arm hin. Die Alte löste schweigend den Verband. Aufmerksam betrachtete sie die Wunde, und ihr Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.
» Ti wund mert vade?« Sie deutete auf die Wunde. Offenbar wollte sie wissen, ob die Wunde schmerze. Valerius nickte. In seinem Kopfe begann sich alles zu drehen, und er nahm das Gesicht der Alten nur noch wie durch einen Schleier wahr. Mit einem feuchten Lappen säuberte sie behutsam die Wunde, die sich an ihrem rotgeränderten Rande bereits entzündet hatte. Dann legte sie einen neuen Kräuterverband an und verließ schweigend die Hütte. Als die Wache am Abend die karge Abendmahlzeit brachte, lag Valerius schon in tiefem Wundfieber.
XIV.
Cataulca
Hasserfüllt starrte der gedrungene Germane auf den Römer, der sich im Fieber unruhig hin- und herwälzte. Er versetzte dem schweißnassen Körper einen Tritt, aber die Alte, die neben der Strohmatte saß, schickte ihn mit einem Schwall von Verwünschungen hinaus. Mit einem Fluch verließ Catuvolcus die Hütte.
Behutsam, fast liebevoll kühlte die Frau die Stirn des Römers und summte dabei eine leise Melodie. Schon seit vier Tagen lag Valerius im Fieber, und trotz aller Bemühung wollte es nicht weichen. Stundenlang hatte Cataulca im Wald Kräuter gesucht, sie gestampft und in einem Sud ausgekocht. Immer wieder hatte sie den Wundverband erneuert und den heißen Leib des Römers von oben bis unten mit kaltem Wasser abgewaschen. Mit großen Augen blickte sie den kranken Mann sorgenvoll an.
Ja, es stimmte, was die anderen ihr vorwarfen. Der Gefangene erinnerte sie an ihren Sohn Segobald, der in fast gleichem Alter vor acht Jahren am Wundfieber gestorben war. Die Wunde stammte jedoch nicht von einem römischen Schwert, ein betrunkener Suebe hatte ihr den einzigen Sohn genommen.
Jeden Tag erkundigten sich Sigher und Catuvolcus, ob der Römer noch nicht gesund genug für die Opferung sei, denn das Fest des Neumondes war nur noch sieben Tage entfernt. Und jedes Mal hatte die Alte den Kopf geschüttelt und auf das fieberglänzende Gesicht des Gefangenen gewiesen. Heute war der erste Tag, an dem das Fieber spürbar nachließ, aber das brauchte niemand zu wissen. Gestern schon hatte der Römer zum ersten Mal kurz die Augen geöffnet und die Frau aus dankbaren Augen angesehen.
Wieder öffnete Valerius die Augen. Sein Mund war völlig ausgetrocknet, die spröden Lippen aufgesprungen. Cataulca sprang auf und holte einen Becher, den sie behutsam an die Lippen des Römers setzte. Schmerzhaft und erfrischend zugleich rann dasköstliche Nass
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