Agrippina - Kaiserin von Rom
saß, ließ sich nicht ausmachen, da die dichten Vorhänge zugezogen waren. Hinter dem Marstempel bog eine breite Seitenstraße nach links ab und führte direkt zum Capitolium. In diesem Bezirk waren die Häuser aus Stein, nicht ausHolz. Häufig schmückten kunstvoll verzierte, bunte Marmorfassaden die Wohnblöcke. Er war allein auf der Straße, der Tempel kaum noch zweihundert Schritt entfernt. Plötzlich löste sich aus einem Hauseingang blitzartig eine untersetzte, kräftige Gestalt und stürzte sich mit gezückter Axt auf den überraschten Tribun. Bevor Valerius reagieren konnte, hatte sich die Axt bereits in seine linke Schulter gegraben, nur der Lederpanzer milderte den furchtbaren Schlag. Ein wahnsinniger Schmerz durchfuhr den Körper des Tribuns und lähmte den linken Arm. Valerius versuchte, dem nächsten Schlag, der auf den Kopf zielte, auszuweichen und zog mit der unverletzten rechten Hand sein Kurzschwert. Die Axt des Angreifers verfehlte ihn nur knapp und krachte gegen die Wand. Schnell hatte sich die Gestalt – ihr vermummtes Gesicht war nicht zu erkennen – gedreht und holte erneut gegen den Römer aus.
Der Tribun versuchte, seinem Gegner das Schwert in den Leib zu rammen, doch der wich immer wieder geschickt aus. Valerius spürte, dass seine Kräfte nachließen, der Schmerz breitete sich allmählich über den ganzen Oberkörper aus. Aus den Augenwinkeln nahm Valerius wahr, dass eine alte Frau, deren Gesicht ihm bekannt vorkam, den Kampf verfolgte. Hinter sich hörte er Schritte und Schreie. Valerius täuschte eine Bewegung nach links an, um dem Angreifer dann mit letzter Kraft sein Schwert in die rechte Seite zu stoßen. Der Mann schrie vor Wut auf. Er riss sich mit einem plötzlichen Ruck seine Kopfbedeckung herunter, und Valerius erkannte das raubtierhaft verzerrte Gesicht von – Catuvolcus!
Die Schulter des Tribun blutete unvermindert stark, und er spürte, dass er gleich in die Knie sinken würde. Doch im selben Moment gelang ihm ein fürchterlicher Hieb gegen die rechte Hand des Germanen – Hand und Schwert fielen zu Boden, und Catuvolcus starrte entsetzt und gelähmt auf das am Boden liegende Glied. Dann sah Valerius noch, dass die beiden Posten vom Prätorium mit gezückten Schwertern auf seinen schwer verletzten Gegner eindrangen, dann sank er zu Boden.
***
Ein pochender Schmerz an der Schulter weckte ihn. Er hörte flüsternde Stimmen. Vorsichtig öffnete Valerius die Augen und nahm als Erstes den besorgten Blick von Argober wahr, der sich über ihn beugte und die feuchte Stirn mit einem Lappen kühlte. Hinter ihm erkannte er das Gesicht des Arztes, den er auf dem Gastmahl des Aedils kennen gelernt hatte. Wie war noch mal sein Name? Richtig! Peliodoros!
»Wo bin ich?«, fragte er leise und sah sich um.
»Du bist im Valetudinarium «, antwortete Argober und wies auf den Arzt, »Peliodoros hat deine Wunde bestens versorgt.«
Der Arzt trat näher und setzte sich neben den Verletzten. »Keine Sorge, Tribun, es ist alles in Ordnung. Der Hieb in die Schulter hat die Sehne knapp verfehlt. Es ist nur eine tiefe Fleischwunde, aber du hast viel Blut verloren. Es wird eine Zeit dauern, bis du wieder voll einsatzfähig bist. Vor allem müssen wir sehen, dass sich die Wunde nicht entzündet.«
Er griff nach einer kleinen Flasche, schüttelte sie und hielt sie vor Valerius’ Augen. »Das musst du jede Stunde einnehmen, Argober wird darüber wachen. Außerdem muss die Wunde täglich gesäubert und ebenso oft der Verband gewechselt werden. Aber dafür wird deine Krankenpflegerin sorgen.«
»Krankenpflegerin?«
Peliodoros lächelte und winkte jemanden zu sich, der bislang im Hintergrund gestanden hatte.
Valerius öffnete vor Überraschung den Mund, als er die Pflegerin erkannte. Es war – Cataulca! Ihr vernarbtes Gesicht strahlte den verletzten Römer voller Zärtlichkeit an.
»Bei den Göttern, wie kommt die Germanin hierher?«
»Sie ist, wie sie uns erzählte, dem Barbaren gefolgt, als er das Dorf der Sugambrer verlassen musste. Offensichtlich ahnte sie, was er vorhatte. Sie hat ihn ständig beobachtet und auch den Kampf gesehen. Während du hier im Valetudinarium lagst, stand sie so lange vor der Tür, bis wir sie zu dir gelassen haben. Seitdem weicht sie keine Stunde von deinem Lager. Du scheinst ihr sehr am Herzen zu liegen ...«
»Wo ist Catuvolcus?«, flüsterte Valerius.
»Der Barbar ist in sicherem Gewahrsam«, sagte Argober undbenetzte erneut die Stirn seines Herrn. »Er sitzt
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