Ahnentanz
Frau in knappem Outfit und einer schlecht sitzenden Perücke posierte in der Tür hinter ihnen.
Kendall bog an der nächsten Ecke ab, zurück zur Royal Street. Wie albern, zu glauben, dass sie verfolgt wurde. Und selbst wenn es so gewesen war, hatte sie den Verfolger abgeschüttelt, wer auch immer es gewesen war.
Doch als sie nun aus der anderen Richtung nach Hause ging, spürte sie erneut, wie ihr Unbehagen immer größer wurde. Sie ging schneller.
Als sie sich ihrer Haustür näherte, erhob sich plötzlich jemand von der Eingangstreppe. Sie schrie laut auf und machte auf der Stelle kehrt, um fortzurennen.
„Nein! Jesus, Maria und Josef! Tun Sie mir nichts!“
Das panische Flehen kam von einem Mann in abgetragenen Jeans und einer zerschlissenen Tweedjacke, der auf dem Boden saß. Er lehnte an der Wand der Hütte und hatte ein kleines Feuer zu seinen Füßen entfacht. In der Hand hielt er eine schmutzige Zeitung, neben ihm lagen eine Taschenlampe, eine Tüte Chips und eine Dose Bier. Er war fünfzig oder sechzig Jahre alt und trug einen Vollbart, wirkte aber trotz seiner schäbigen Erscheinung recht sauber.
Beim Anblick von Aidan, der den Colt auf ihn gerichtet hielt, zitterte er vor Angst.
„Wer zum Teufel sind Sie, und was tun Sie hier?“, wollte Aidan wissen.
„Bitte, um der Liebe Gottes willen, legen Sie die Waffe nieder“, bettelte der Mann.
Aidan nahm den Finger vom Abzug und hielt die Waffe ein wenig tiefer. Doch er senkte sie nicht ganz und blieb wachsam. „Antworten Sie“, schnappte er.
„Jimmy. Ich bin nur Jimmy.“
„Was tun Sie hier, nur Jimmy? Und stehen Sie gefälligst auf“, kommandierte Aidan.
„Okay, okay, aber tun Sie mir nichts.“ Sorgsam legte der Mann die Zeitung beiseite. Dann zeigte er Aidan seine leerenHände und stand auf. „Bitte, Mister, ich schade niemandem.“
Aidan überflog rasch die kleine Hütte. Jimmy schien all seine Habseligkeiten in einer Einkaufstüte an der hinteren Wand aufzubewahren.
Leicht einzupacken. Leicht auszupacken.
„Seit wann wohnen Sie hier?“, wollte Aidan wissen.
„Oh, ich wohne hier nicht …“
„Seit wann, zum Teufel“, wiederholte Aidan.
„Ungefähr … seit sechs Monaten“, antwortete der Mann rasch. „Sehen Sie, ich arbeite nachts an der Tankstelle die Straße hinunter – manchmal bis drei Uhr morgens. Ich versuche Geld für eine Wohnung zu sparen.“ Der kleine Mann sprach sehr schnell. „Ich muss genug Geld für ein Auto zusammenbekommen, bevor ich einen richtigen Platz zum Wohnen finde. Ich bin nirgendwo anders eingebrochen, ehrlich. Ich habe nie einen Fuß in das große Haus gesetzt. Ich komme nur zum Schlafen her. Um sicher zu sein.“
Ein harmloser Rumtreiber? Oder ein mörderischer Irrer? Jimmy war spindeldürr. Seine Augen wirkten riesig in dem Gesicht. Er sah nicht aus, als ob er die Kraft hätte, eine Fliege zu töten, geschweige denn eine Frau.
Aidan steckte die Waffe in den Bund seiner Jeans. „Sie wohnen hier seit sechs Monaten?“
„Ich schwöre, ich habe niemandem etwas getan, und niemand weiß überhaupt, dass ich hier bin. Sehen Sie, ich bin ein Feigling. Ich gehe die Straße entlang so schnell wie ich kann, komme hier rein, schließe die Tür und bete für den nächsten Tag.“
„Warum beten Sie für den nächsten Tag?“, fragte Aidan. Der kleine Mann schüttelte den Kopf. „Ich schaue nicht aus der Tür. Ich sehe nichts.“
„Wovon reden Sie da?“, fragte Aidan irritiert.
„Bitte, ich nehme nur meine Tasche und gehe.“
Aidan bewegte sich nicht von der Türschwelle. „Nicht so schnell, mein Freund.“
Der Mann fing an zu zittern. „Bitte, sperren Sie mich nicht wegen unbefugten Betretens ein. Ich werde meinen Job verlieren. Ich brauche diesen Job.“
„Ich kann Sie nicht einfach gehen lassen“, sagte Aidan ruhig.
„Warum in Gottes Namen denn nicht?“, fragte Jimmy. „Weil da vor ein paar Tagen ein menschlicher Knochen in Ihrem Abfallhaufen lag“, eröffnete Aidan.
Jimmy japste. Er wirkte, als würde der nächste Lufthauch ihn umwerfen. Dieser Mann war kein Mörder, dachte Aidan.
„Ich schwöre bei Gott, ich habe in meinem ganzen Leben noch niemandem etwas zuleide getan“, wimmerte Jimmy. „Ich bin Jimmy Wilson. Ich arbeite unten an der Tankstelle. Sie können mich fesseln, damit ich hierbleibe, und morgen mit mir hingehen. Sie werden es ihnen bestätigen. Sie werden Ihnen bestätigen, dass ich die Wahrheit sage. Da kann vielleicht ein Hühnerknochen gewesen sein,
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