Aibon - Land der Druiden
und sagenumwobene Leben der Waldgeister.
In Aibon wurden die Märchen wahr! Daran gab es nichts zu rütteln, das stand für mich fest. Nur allmählich löste ich mich aus meiner gespannten Haltung, drehte mich um und schaute zum Waldrand hin. Nicht alle Wesen hatten ihre Plätze verlassen. Viele von ihnen hockten noch auf den Zweigen oder Ästen. Die Kronen der Bäume waren ebenfalls von ihnen besetzt worden. Dort spannten sich ihre Körper wie auseinandergezogene Gardinen. Sie befanden sich auch nicht in einer Ruhelage, sondern hatten sich aufgerichtet, hielten sich ebenfalls an den Händen gefasst und bewegten ihre schmalen, schlanken Körper nach den Takten der Melodie.
Auch der rote Ryan stand nicht still. Er drehte sich im Kreis, ließ das Mundstück der Flöte stets an den Lippen, wiegte dabei seinen Oberkörper, und sein Kopf machte diese Bewegungen mit. Es hätte mich nicht mehr gewundert, wenn die Melodien und Töne als einzelne aus der Flöte dringende Noten sichtbar geworden wären.
Plötzlich verstummte die Melodie. Ich hatte nicht damit gerechnet und erschrak fast, als sich die Ruhe über die kleine Lichtung legte. Auch die Elfen tanzten nicht mehr. Sie standen für einen Moment still, bevor ihre Arme nach unten sanken und sich die Hände lösten. Keine berührte mehr die andere. Nicht auf der Lichtung und auch nicht in den Ästen, Zweigen oder in der Kronen. Sie blieben wie erstarrt. Nicht einmal ein Zittern der Flügel. Mir gelang es, durch die schmalen Körper zu schauen.
Der rote Ryan hatte seine Flöte sinken lassen. Für eine Weile stand er in einer Haltung da, als wollte er den längst verflossenen Klängen noch nachlauschen.
Erst dann drehte er sich um. Bedächtig, nur nichts überstürzen. Er steckte seine Flöte in dem Augenblick weg, als er sich um 90 Grad gedreht hatte, so dass er mir ins Gesicht blicken konnte. Unsere Blicke trafen sich. Er hatte grünlich schimmernde Augen. Noch immer umgab ihn ein Rätsel. Über seine Herkunft wusste ich nichts, auch nichts über seine Aufgabe. Er war ebenso geheimnisvoll wie das gesamte Land, in dem er lebte.
Zwei Schritte ging er auf mich zu. Seine Füße schleiften durch das Gras. Ich hörte das leise Geräusch, als die Halme gebogen wurden. Der rote Ryan blieb stehen, richtete seine Augen auf mich und deutete so etwas wie eine Verbeugung an.
»Willkommen im Reich der Legenden, Geisterjäger«, sagte sie und begann laut zu lachen…
***
Mandra Korab hatte sein eigenes Schicksal vergessen. Er schaute nur auf dieses große, geheimnisvolle Rad, in dessen Zentrum sich ein zweites befand, das ebenfalls ausgefüllt wurde.
Ein Druidenstern. Zeichen umgaben ihn. Und es waren die gleichen Symbole, die John Sinclair auf seinem Kreuz hatte. Wie konnte das möglich sein?
Mandra hatte lange Zeit außer Gefecht gelegen. Er war in eine Planke eingeschlossen und hatte nichts von den Abenteuern und Niederlagen gewusst, die sein Freund erlebt hatte. So war ihm auch entgangen, das John Sinclairs Kreuz nicht mehr so aussah, wie er es in Erinnerung hatte. Denn genau die Zeichen, die Mandra Korab auf dem Rad entdeckte, befanden sich nicht mehr auf dem Kreuz des Geisterjägers. Jemand hatte sie gestohlen. Eine sehr mächtige Person, fast schon gleichzusetzen mit dem absoluten Herrn des Bösen, mit Luzifer. Aber die Zeichen waren nicht von ihm entwendet worden, sondern von seiner überaus starken Helferin. [2]
Bisher hatte der Geisterjäger noch kein Gegenmittel finden können. All dies war dem Inder unbekannt. Deshalb stand er da und staunte das seltsame Rad an.
Leider befand sich niemand in der Nähe, der Mandra Korab hätte eine Erklärung geben können, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als zunächst einmal abzuwarten.
Obwohl Mandra Korab dieses Rad dicht vor sich stehen sah, konnte er noch immer nicht erkennen, aus welch einem Material es bestand. Das konnte Holz sein, aber auch Metall. Er hätte es anfassen müssen, um es festzustellen. Eine Erklärung bekam er auch nicht. Und wer hätte sie ihm schon geben sollen.
Mandra hatte wieder Bodenkontakt bekommen, stand mit beiden Füßen auf dem rauhen Stein und sah den Armen zu, die von ihm wegglitten und sich hinter dem Rad aufbauten. Lange konnte Mandra sich nicht halten. Er spürte das Zittern in den Knien, merkte die Schwäche, schwankte schon und setzte ein Bein zurück, um einen besseren Stand zu bekommen.
Das klappte nur für eine kurze Zeitspanne, dann war es vorbei. In den Knien wurde der Inder
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