Airborn 01 - Wolkenpanther
Matt, dass sich das Ganze von alleine lösen wird. Ich gehe davon aus, dass der junge Lunardi das Schiff fluchtartig verlassen wird, sobald wir den Hafen von Sydney erreicht haben.«
»Ist er denn schon an Bord, Sir?«
»Ja, zur Ausbildung.« Er schaute mir einen Augenblick lang in die Augen und seufzte dann. »Cruse, Sie wissen, dass ich gerne bereit bin, Ihnen bei einer Versetzung auf ein anderes Schiff, das einen Segelmacher braucht, behilflich zu sein. Es würde mir Leid tun, Sie zu verlieren, aber ich würde Sie mit dem größten Lob weiterempfehlen. Jedes Schiff kann sich glücklich schätzen, Sie an Bord zu haben.«
»Danke, Sir, aber mir gefällt es hier sehr gut.«
Und das stimmte wirklich. Dieses Schiff, die Aurora, war für mich mehr Zuhause als die kleine Wohnung in Löwentorstadt. Während der vergangenen drei Jahre hatte ich kaum Zeit am Boden verbracht. Mein Leben spielte sich in der Luft ab. Ich wollte Baz oder Kapitän Walken nicht verlassen und auch nicht meine Koje mit dem Bullauge, das mir einen größeren Ausblick auf die Welt ermöglichte, als jedes Fenster an Land es je könnte. Mein Herz schlug im Takt mit den Vibrationen der Motoren der Aurora. Es gab andere schöne Schiffe, das wusste ich, und vielleicht sogar noch prächtigere als die Aurora. Aber nur sie verlieh meinen Träumen Flügel.
»Ich verstehe.« Der Kapitän kam um seinen Schreibtisch herum und legte mir die Hand auf die Schulter. »Die Aurora war das Schiff Ihres Vaters.«
»Ja, Sir.«
»Kopf hoch, mein Sohn. Ein Bursche mit Ihrem Mut und Ihren Fähigkeiten wird irgendwann seine verdiente Belohnung erhalten. Es gab nicht einen einzigen Augenblick, an dem ich es bereut hätte, Sie als Schiffsjungen an Bord genommen zu haben. Und ich werde Ihnen gegenüber nicht ein zweites Mal wortbrüchig werden.«
»Vielen Dank, Kapitän.«
Ich wollte nicht kindisch sein und meine Enttäuschung zeigen, daher erhob ich mich und verließ rasch seine Kabine.
Draußen im Gang brannten meine Augen vor Scham. Was für ein aufgeblasener Narr ich doch gewesen war! Zu glauben, ich würde Segelmachergehilfe werden, ich, der nie die Akademie besucht hatte und keine Reichtümer besaß, die ihn voranbringen könnten. Natürlich würde ich von Leuten wie Otto Lunardis Sohn aus dem Weg gedrängt werden. Ich war nicht wütend auf den Kapitän; er war ein ehrenwerter Mann und hatte immer sein Bestes für mich getan. Doch in meinem Herzen loderte ein harter, heißer Hass auf den jungen Lunardi.
Er war ein Dieb. Er hatte genommen, was mir gehörte. Würde ich ihm etwas stehlen, würde ich ihm auch nur seine Uniform oder seine Kappe nehmen, würde man mich vor einen Richter zerren und ins Gefängnis werfen. Er aber hatte genau das getan, schlimmer noch – er hatte mir mein Leben geraubt. Diese Stelle gehörte mir. Und es gab nichts, was ich tun konnte, um sie zurückzubekommen. Wer vermochte zu sagen, wann sich mir wieder eine solche Gelegenheit bieten würde? Das könnte Jahre dauern. Vielleicht würde es nie wieder eine Stelle für mich geben. Wenn der Kapitän in Rente ging oder ein anderes Schiff übernahm, hätte ich niemanden mehr, der sich für mich einsetzte. Dann wäre meine Chance dahin, jemals mehr zu sein als ein Kabinensteward.
Es war nicht so, dass ich mich dieser Position schämen müsste; ich war nicht so stolz zu denken, es sei unter meiner Würde. Aber es war einfach nicht die Arbeit, die ich mir wünschte. Mein Herzenswunsch, das, wonach ich mich in meinen Träumen verzweifelt sehnte, war es, eines Tages die Aurora zu fliegen. Mit ihr die Winde über der mongolischen Steppe zu kreuzen, über die Antarktis zu brausen und den Stürmen der Terra Nova zu trotzen. Ich wünschte sie in die Luft zu führen und für immer dort oben zu halten.
Alle Interessenten für einen Rundgang durch das Schiff sollten sich um halb elf beim Konzertflügel im Steuerbordsalon einfinden. Als ich eintraf, wartete dort nur eine einzige Person – Kate de Vries.
»Findet der Rundgang trotzdem statt?«, fragte sie. »Auch wenn ich die Einzige bin?«
Ich warf einen Blick auf die Passagiere, die es sich auf den Sofas gemütlich gemacht hatten, Zeitung lasen oder in der Sonne dösten, noch zu voll vom Frühstück, um sich zu bewegen. Vielleicht reisten sie so oft, dass sie den Rundgang schon einmal gemacht hatten.
Oder – was mir wahrscheinlicher vorkam – diese Dickwänste interessierten sich tatsächlich nicht für dieses wunderbare Schiff, das ihre
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