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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Kates Anblick verschlug mir die Sprache. In ihrem Seidenkleid sah sie wie ein ganz anderer Mensch aus. Sie hatte die Haare hochgesteckt und trug eine schlichte, funkelnde Kette um den Hals. Ihre Schultern waren frei. Als ich sie am Morgen kennen gelernt hatte, hatte sie wie ein normales Mädchen ausgesehen; nun wirkte sie auf einmal viel zu sehr wie eine erwachsene Frau. Neben ihr thronte Miss Simpkins und schlürfte Tee, das Haar zu einer schrecklichen Hochfrisur auftoupiert. Kate sah mich und lächelte. Ihr Lächeln wenigstens erkannte ich noch. Ich nickte ihr zu, während ich auf die Bar zusteuerte, um Jack Mobius abzulösen.
    »Nimm dich vor der Frau mit der unheimlichen Frisur in Acht«, flüsterte er mir zu, als wir die Plätze tauschten.
    »Die kenne ich schon«, flüsterte ich zurück.
    »Hat gesagt, ihr Tee würde schmecken, als hätte ein Fisch darin gebadet.«
    »Du hättest den armen Kerl eben früher rausnehmen sollen«, sagte ich zu ihm. »Dann hätte sie nichts gemerkt.«
    »Nacht, Matt«, verabschiedete er sich lachend.
    Baz kam etwas später, um auf dem Stutzflügel zu spielen. Der Flügel war ein wunderbares Instrument, vollständig aus Alumiron gefertigt und daher sehr leicht. Und Baz selbst war auch ein Wunder, so meisterhaft wie seine Hände über die Tasten tänzelten.
    »Die Musik ist viel zu laut«, beschwerte sich Miss Simpkins vernehmlich. »Und viel zu wild. Für junge Ohren völlig ungeeignet.« Kurz darauf erhob sie sich und auch Kate stand widerstrebend auf. Sie fing meinen Blick und schaute mich einen Augenblick lang an, als wolle sie mir etwas sagen. Miss Simpkins stolzierte betont langsam aus dem Raum und blieb immer wieder stehen, um die Gemälde zu betrachten oder einen Blick auf den letzten roten Schein des Sonnenuntergangs auf den Wellen zu werfen. Sie machte den Eindruck, als erwarte sie, dass die Leute sie beobachteten, und seltsamerweise taten das einige der Männer im Raum sogar. Sie schienen die Anstandsdame durchaus anziehend zu finden und vermutlich war sie tatsächlich eine attraktive Frau. Allerdings hatten diese Männer sicher noch kein Wort mit ihr gewechselt. Vielleicht fanden sie ihre Frisur nicht so unheimlich wie ich.
    Kate hatte wunderschöne rotbraune Haare. Doch noch besser gefielen mir ihre Augen, die immer funkelten und blitzten, als ginge alles Mögliche hinter ihnen vor. Ein richtiges kleines Gewitter in ihrem Kopf.
    Einige Herren hatte mit Miss Simpkins eine Unterhaltung über eines der Gemälde angefangen. Kate verließ unauffällig ihre Gesellschafterin und schlenderte durch den Salon zur Bar.
    »Guten Abend, Mr Cruse«, sagte sie.
    »Möchten Sie etwas trinken, Miss?«, fragte ich. »Heiße Schokolade? Tee? Oder einen Brandy?«
    Sie lächelte, und ich beschloss sofort, sie möglichst oft zum Lächeln zu bringen.
    »Wie lange haben Sie noch Dienst?«, fragte sie.
    »Bis Mitternacht, Miss.«
    Ich gab mir alle Mühe, höflich und professionell zu wirken.
    Hinter ihr sah ich, wie Miss Simpkins sich umdrehte. Als sie Kate entdeckte, eilte sie mit langen Schritten auf uns zu.
    »Wollen wir in unsere Suite gehen, Kate?«, fragte sie und beäugte mich misstrauisch, als hätte ich gerade versucht, ihren jungen Schützling zu betäuben und zu entführen.
    »Gute Nacht, Mr Cruse«, sagte Kate zu mir.
    »Gute Nacht, meine Damen. Schlafen Sie gut.«
    Ich war traurig, dass sie ging – und auch enttäuscht. Wie sollte ich je mehr über ihren Großvater erfahren, wenn ich immer nur so kurz mit ihr sprechen konnte?
    Der Abend verging. Die Leute aus dem Raucherzimmer und die Besucher der letzten Kinovorstellung strömten herein und der Salon füllte sich. Ich servierte erst Kaffee und Tee, später dann Portwein, Sherry, Scotch und Brandy, während Baz immer leidenschaftlicher in die Tasten griff. Irgendwann flüsterte Mr Lisbon ihm etwas zu. Kurz darauf saß Baz steif und wächsern wie ein Leichnam am Klavier und stimmte Trauermärsche von Bach an. Einer nach dem anderen verließen die Passagiere den Raum und zogen sich für die Nacht in ihre Kabinen zurück.
    Mitternacht. Ich stand alleine im Salon und wischte die Theke, da hörte ich, wie etwas durch die Rohrpostleitung sauste. Ich zog die Büchse heraus und sah an der Beschriftung, dass sie aus der Topkapi-Suite kam. Schnell schraubte ich den Deckel ab und rollte das Papier auf.

    Bitte zwei Tassen heiße Schokolade.
    Kate de Vries

    Lächelnd beendete ich meine Arbeit. Dann erhitzte ich die Milch mit Wasserdampf,

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