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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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vertreiben.
    Während der Mahlzeiten musste ich oft an meinen Vater denken. Er hatte auch einmal an diesem Tisch gegessen, zusammen mit vielen von den Leuten, mit denen ich nun zu tun hatte. Sie hatten meinen Vater gekannt. Sie wussten, dass er seine Arbeit auf der Aurora stets pflichtbewusst und gut ausgeführt hatte. Einige waren sogar seine Freunde gewesen. Ich mochte es, in ihrer Nähe zu sein. Es war gar nicht nötig, mit ihnen über meinen Vater zu reden; mich tröstete schon das Wissen, dass er auch einmal hier gesessen hatte.
    Ich verdrückte gerade meine zweite Portion Kartoffelbrei, als die Tür aufging und ein Besatzungsmitglied hereinkam, das ich noch nie gesehen hatte. Ich wusste sofort, dass dies Lunardi sein musste. Der Kartoffelbrei blieb mir im Hals stecken und ich musste ihn mit einem Schluck Milch hinunterspülen. Lunardi schaute sich ein wenig unsicher um und setzte sich dann zu uns an den Tisch.
    »Hallo«, sagte er. Er war siebzehn oder achtzehn Jahre alt und gut aussehend wie ein Filmstar, wie ich deprimiert feststellte. Es ließ sich nicht leugnen. Tatsächlich hatte er große Ähnlichkeit mit dem Helden des Mantel- und Degenfilms, den ich neulich erst gesehen hatte. Mein Mund wurde vor Empörung ganz trocken. Naja, vermutlich konnte man alles mit Geld kaufen, sogar gutes Aussehen. Nachdem Lunardi sich gesetzt hatte, warf er als Erstes den Milchkrug um. Leider war dieser schon fast leer gewesen und hinterließ nur einen feuchten Fleck auf seiner Hose. Er tupfte die Milch mit seiner Serviette ab, während seine Ohren feuerrot anliefen.
    »Nicht gerade eine schnelle Reaktion, was?«, sagte er, versuchte zu lachen und schaute mich geradewegs an.
    Ich konnte seinen Blick nicht erwidern, sondern starrte die ganze Zeit auf die Abzeichen des Segelmachers an beiden Enden seines Uniformkragens. Ein kleines, goldenes Steuerrad war auf dem Stoff aufgedruckt. Der Kerl musste doch wissen, wem er gegenübersaß und was er mir angetan hatte. Doch vielleicht hatte er wirklich keine Ahnung. Vielleicht hatte es ihm niemand gesagt und der verdammte Idiot hatte keinen Schimmer.
    »Ich heiße Bruce Lunardi«, sagte er in den Raum hinein. »Ich bin der neue Segelmachergehilfe.«
    Alle nickten und erwiderten seinen Gruß höflich, mehr nicht. Einige schauten zu mir, um zu sehen, wie ich darauf reagierte. Sie waren bestimmt neugierig, was ich nun machen würde. Nun, ich würde ihnen jedenfalls nicht den Gefallen tun und einen Streit vom Zaun brechen. Baz stupste mich kameradschaftlich. Ich sagte nichts, sondern trank nur langsam noch ein Glas Milch.
    »Dann sind Sie also der Junge von Otto Lunardi?«, fragte einer der Maschinisten.
    »Ja, genau«, sagte er.
    »Glauben Sie, Ihr Vater würd mir 'ne Gehaltserhöhung geben?«, fragte jemand und alle am Tisch brachen in Gelächter aus.
    »Ich kann natürlich gerne ein gutes Wort für Sie einlegen«, erwiderte Lunardi. »Aber er ist ein geiziger, alter Bock, so viel kann ich Ihnen sagen.«
    Dies rief noch mehr Gelächter hervor, diesmal war es jedoch nicht gegen Lunardi gerichtet. Selbst ich musste grinsen und schnaubte amüsiert.
    Die Mahlzeiten an Bord waren eine köstliche, aber kurze Angelegenheit. Niemand hatte Zeit, länger zu bleiben, außer jenen, die von der Wache kamen und bereit waren, ihren Schlaf gegen etwas Gesellschaft und einen freundlichen Schwatz einzutauschen. Mir war plötzlich der Appetit vergangen, obwohl es Karamelcreme zum Nachtisch gab, mit frischen brasilianischen Erdbeeren und Vanillesoße. Mit einem Nicken verabschiedete ich mich von den anderen und ging hinaus, erleichtert, diesem Lunardi zu entkommen.
    Ich wünschte, er wäre überheblich und arrogant an den Tisch getreten, hätte mit seiner Position geprahlt und sich über das Schiff, die Kabinen und die Unannehmlichkeiten beschwert, die er nun zu ertragen hätte, verglichen mit seinem prunkvollen Anwesen an Land. Aber nein, er schien ein netter Kerl zu sein, und irgendwie machte das alles nur noch schlimmer.
    Oben füllten sich die Gesellschaftsräume der Ersten Klasse allmählich, nachdem die meisten Passagiere mit dem Abendessen fertig waren. Die Herren trugen schwarze Jacketts, Stehkrägen und Fliegen, die Damen lange Abendkleider und Juwelen. Im Salon hielten sich hauptsächlich Frauen auf, die Männer zogen das Raucherzimmer vor, wo sie bei Zigarren und Schnaps über wichtige Dinge wie Profite und Preise diskutierten.
    An einem der Fenstertische saßen Miss Simpkins und Miss de Vries.

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