Airborn 02 - Wolkenpiraten
– wie es Grunel nennt – Ingenierium ein mächtiger Krach kommt, doch niemand hat ihn rein- oder rausgehen sehen. Er hat den einzigen Schlüssel zu diesem Raum und dem Raum gegenüber. Drei Wochen schon ohne Kontakt mit dem Boden.
Ich hatte wieder den armen, am Steuerrad festgefrorenen Kapitän vor Augen, dessen letzter Atemzug schon so sehr lange her war. Ich fragte mich, ob er sich jemals gewünscht hatte, das Kommando über die Hyperion nie angenommen zu haben. Eine noch seltsamere Reise konnte man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Seine Aufgabe hatte nur darin bestanden, das Schiff in Bewegung zu halten. In gewisser Weise war das aber auch die tollste Reise überhaupt, denn in der Luft zu sein bedeutete mir mehr als alles andere, und ich empfand immer eine gewisse Traurigkeit, wenn wir auf den Boden zurückkehrten. Als jemand, der in der Luft geboren worden war, habe ich mich oft gefragt, wie es wäre, niemals landen zu müssen.
»Es sieht so aus«, sagte ich, »als ob Grunel am Himmel bleiben wollte, bis er mit seiner Arbeit fertig war.«
»Das muss schon etwas sehr Beeindruckendes gewesen sein«, meinte Kate, »dass er sich so sehr abgekapselt hat.«
»Das war vielleicht eine Menge Geld wert«, überlegte ich laut.
Kate warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Ist Geld der einzige Wert, den eine Sache haben kann? Es könnte auch um eine Erfindung von gewaltiger Bedeutung für die Wissenschaft gegangen sein. Wir müssen herausbekommen, was es ist.«
»Interessiert mich nicht«, sagte Hal.
»Ich frage mich, ob er überhaupt damit fertig geworden ist«, sagte ich.
»Wie lange hätte der ganze Treibstoff gereicht?«, wollte Nadira wissen.
»Er hätte sich an einen Rückenwind hängen können und so fast gar keinen Treibstoff verbraucht«, erklärte ich. »Wenn es ihm nur darum ging, in der Luft zu bleiben.«
»Welches Datum hat der letzte Eintrag des Kapitäns?«, fragte Hal.
Sie blätterte. »20. April.«
»Zu dem Zeitpunkt dachten schon alle, die Hyperion wäre abgestürzt«, sagte Kate. »Vier Tage nach ihrem Abflug wurde sie in Neu-Amsterdam erwartet. Sie war also viel länger in der Luft, als alle geglaubt hatten.«
»Lies doch den letzten Eintrag«, bat ich Nadira.
Der Ausguck berichtet, dass uns jemand folgt. Kein Erfolg bei der Identifizierung. Wir nehmen an, dass es ein Piratenschiff ist. Es ist langsam, kommt aber eindeutig näher. Ich habe Grunel von dieser Situation in Kenntnis gesetzt. Er war ungeheuer aufgeregt und verlangte, dass wir mit voller Kraft in die Sturmfront zwanzig Luftknoten südwestlich fahren. Ich versuchte, ihm davon abzuraten, aber er war unnachgiebig. Er glaubt, wir würden unseren Verfolger in den Wolken abhängen. Unser neuer Kurs ist auf die Sturmfront gerichtet.
Einen Moment lang sagte niemand etwas, allen war bewusst, dass dies die letzten Worte waren, die der Kapitän geschrieben hatte. Ich schlug Grunels Tagebuch auf und blätterte darin, bis ich den letzten Eintrag fand. Es waren nur ein paar Zeilen und ich las sie vor:
Es ist eingetreten, was ich immer befürchtet habe. Der Kapitän glaubt, wir würden von Piraten verfolgt, aber ich weiß es besser. Es ist B. Er hat mich über Jahre an Land verfolgt und nun hat er mich irgendwie am Himmel gefunden. Es ist ein so grausamer Gedanke, dass er mir meine Erfindung entreißen könnte, jetzt, wo ich sie gerade vollendet habe.
»Aber die Piraten oder B. – wer auch immer das war – sind nie an Bord gekommen«, sagte Nadira. »Sie haben das Schiff nie erreicht.«
Ich nickte. »Die Hyperion ist in den Sturm gefahren und in die Abwinde geraten.«
»Du meinst Aufwinde«, sagte Hal.
In der Erinnerung daran, was uns auf der Treibgut passiert war, schüttelte ich den Kopf. »Nein, erst die Abwinde. Der Kapitän ist in Panik geraten und hat all seinen Ballast abgelassen, um das Schiff zu retten. Ich wette, wenn wir auf die Ballastanzeigen schauen, sehen wir, dass in den Tanks kein Tropfen Wasser mehr ist. Die Hyperion war leicht wie eine Feder geworden und wurde dann von den Aufwinden des Sturms erfasst und bis nach Skyberia geschossen.«
»Er hätte Hydrium ablassen müssen«, sagte Hal.
»Vielleicht war dafür keine Zeit.«
»Das ist nur eine Theorie«, meinte Hal.
»Und zwar eine gute«, fügte Dorje hinzu. »Ich glaube, Matt, du hast Recht.« Dorjes ruhige Zustimmung war wie ein Segen. Ich sagte nichts und hoffte nur, dass mein Gesicht nichts von meinem inneren Jubel zeigte. Schnell blickte ich zu Kate,
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