Airborn 02 - Wolkenpiraten
einem Schneesturm.
»Hast du noch nicht genug Fotos von diesem komischen kleinen Ding gemacht?«, beschwerte sich Miss Simpkins und wedelte den Rauch von Kates Blitzbirnchen fort.
»Das ist kein komisches kleines Ding, Majorie«, erwiderte Kate und machte eine weitere Aufnahme, »und außerdem will ich dokumentieren, wie es in seinem Ei aussah, bevor ich es seziere.«
»Du willst es zerschneiden?«, fragte Miss Simpkins.
»Ja, in lauter kleine Stückchen. Auf diese Weise kann ich viel mehr darüber erfahren. Obwohl ich bei Säugetieren besser bin. Das hier hat etwas deutlich Primitiveres an sich.«
»Du musst doch sehr glücklich über all deine neuen Tiere sein«, sagte ich zu Kate und hoffte, damit eine freundliche Konversation in Gang zu bringen.
»Ich könnte sie alle haben, wenn die Sagarmatha nicht beschädigt wäre.« Sie warf mir einen Blick zu, als wäre das alleine meine Schuld. Sie war ebenso ungerecht wie Hal. Die beiden waren eben doch füreinander geschaffen.
»Zumindest hast du ein bisschen was bekommen«, bemerkte ich. »Wir haben keinen Penny gefunden.«
»Die Uhr von dem alten Mann«, warf Hal ein, ohne von dem Plan aufzusehen.
»Da war doch ein Bild drin«, fiel mir ein. Ich holte es aus der Tasche und zeigte es Kate. »Hast du eine Ahnung, wer das ist?«
Sie warf einen Blick darauf. »Seine Tochter.«
»Bist du sicher?«
»Völlig. Sie haben dieselbe Nase und Stirn. Außerdem hab ich ihr Bild mal in einer Zeitschrift gesehen.«
»Ist das die Tochter, die er ohne einen Penny rausgeschmissen hat?«, fragte ich. »Mit der er nicht mehr sprechen wollte?«
Kate nickte.
Ich überlegte, ob Grunel die Sache mit ihr vor seiner letzten Reise wohl in Ordnung gebracht hatte. Sie war ihm doch offensichtlich noch immer sehr nahe gewesen.
»Weißt du, ich finde es ziemlich mies von dir, seine persönlichen Sachen zu durchwühlen.«
»Genau deshalb sind wir doch alle hier«, sagte Nadira vom Kamin aus. »Um seine Sachen zu klauen.«
Das brachte Kate einen Moment lang durcheinander. »Aber deshalb müssen wir uns doch nicht gleich wie Grabräuber benehmen. Also ehrlich, seine Taschenuhr!«
Vor Empörung war ich kurz sprachlos. Es war ja nicht einmal meine Idee gewesen, die Uhr zu nehmen, aber ich würde Hal nicht verpetzen.
»Grabräuber?«, sagte ich dann. »Du bist doch diejenige, die Knochen ausgräbt.«
»Das ist was anderes«, erwiderte Kate und reckte herrisch das Kinn. »Das ist die Jagd nach Erkenntnis.«
Ich sagte nichts mehr.
Eine schön gereizte Gesellschaft waren wir heute Abend. Zum Teil lag das bestimmt an der Erschöpfung und an der dünnen Luft in zwanzigtausend Fuß Höhe. Aber in den letzten Tagen war Kate besonders schnell reizbar.
»Wenn ich Grunels ganze Sammlung schon nicht bergen kann«, sagte sie zu Hal, »möchte ich doch versuchen, sie zumindest zu katalogisieren. Könnte ich morgen meine kleine Kamera mitnehmen?«
»Natürlich«, meinte er zerstreut.
»Ich glaube, jetzt ist es gut durchgegart«, ließ sich Nadira vom Kamin her vernehmen. Sie hob das Logbuch der Hyperion hoch. Seine Seiten waren wellig und steif und das Buch war insgesamt auf seinen doppelten Umfang angeschwollen.
»Willst du es vorlesen?«, fragte ich.
Sie setzte sich in einen Sessel und schlug die erste Seite auf. »Datiert ist es Edinburgh, den 25. März. Da ist so eine Art Ladeliste. Soll ich die überspringen?« Sie blätterte bereits um.
»Warte«, sagte ich. »Geh noch mal zurück. Was steht da über Arubatreibstoff?«
Nadira sah die Liste durch und las dann die Gewichtsangabe laut vor. Die Hyperion hatte den Flughafen mit über zweihunderttausend Kilo Treibstoff verlassen.
»Und was ist mit Wasser?«, fragte ich.
»Welches willst du? Heizungswasser, Ballastwasser oder Trinkwasser?«
»Trinkwasser.«
»Fünfunddreißigtausend Kilo.«
Ich sah Hal und Dorje an. Beide hatten zugehört.
»Der wollte nicht nach Neu-Amsterdam«, sagte ich. »Das geht aus der Karte der Hyperion hervor. Er war auf einer sehr viel größeren Reise.«
»Wohin?«, fragte Hal. »Mit der Treibstoffmenge kannst du fünfmal die Erde umkreisen.«
»Vielleicht hat er vorgehabt, hier an Bord zu leben.«
Hal rümpfte die Nase. Er fand diese Überlegung lächerlich.
»Denk mal an das Museum, das er für sich selbst eingerichtet hat«, sagte ich, »und an die Werkstatt. Und nicht einmal die Aurora hatte eine so prachtvolle Eingangshalle. Sie ist kein einfacher Frachter. Sie ist ein Zuhause.«
Hal zuckte mit den
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