Airborn 02 - Wolkenpiraten
er wirklich war: ein schlauer, ausgekochter Kerl, jemand, der es aus eigener Kraft zu etwas gebracht hat. So war er mir lieber, als wenn er bei Kate, Miss Simpkins und Nadira Süßholz raspelte oder sich im Salon wie ein erfahrener Großbürger ausließ.
Hal zog die Safetür weit auf.
Innen befand sich eine weitere Metalltür.
»Ein vorsichtiger Mann, unser Mr Grunel«, bemerkte ich.
»Hut ab«, sagte Hal, während er schon ein neues Stück des Explosionskitts vorbereitete. »Man kann nie vorsichtig genug sein. Du und ich, Cruse, wir werden bald sehr reich sein.«
»Was wirst du mit deinem Anteil machen?«, fragte ich fast schwindelig vor Aufregung.
»Also, ich denke mal, ein Mann in meiner Position sollte sich eine Frau suchen.«
»Wirklich?« Ich spürte, wie mein Lächeln verebbte.
Hal schob den Kitt in das Schloss. »Am liebsten wäre mir eine intelligente, geistreiche junge Frau, die Spaß am Reisen und an Abenteuern hat.«
»Hmm.«
»Und reich wäre auch nicht so schlecht.«
Ich blickte ihn überrascht an. »Ich hab gedacht, du wärst selbst schon reich genug.«
Er stockte einen kleinen Augenblick. »Also etwas mehr ist nie verkehrt, oder?«
Er zog sich wieder aus dem Zimmer zurück und legte dabei die Drähte aus. »Hast du schon mal ans Heiraten gedacht?«
»Ich bin erst sechzehn.«
»In deinem Alter war das auch das Letzte, an was ich gedacht hab. Da kann man eine solche Verantwortung nicht brauchen.«
»Über einen Heiratsantrag aber denk ich schon nach«, log ich.
»Wirklich?« Hal schloss die Drähte an den Kasten an.
»Warum nicht? Eine Verlobung kann doch über Jahre dauern.«
»Richtig, aber bevor du einer Dame einen Antrag machst, ist es normalerweise üblich, dass man ein kleines Vermögen oder ein anderes Einkommen hat.«
»Mach zu und drück den Zünder runter«, sagte ich. »Ich bin gerade dabei, sehr reich zu werden.«
Hal grinste. »Aber nicht so reich wie ich.«
Er drückte den Griff hinunter und die Explosion sprengte die zweite Tür weg. Wir gingen zum Safe. Ich war gar nicht mehr so fröhlich.
»Der alte Eissack«, murmelte Hal, denn hinter der zweiten Tür war eine dritte.
»Schwerer zu knacken als gedacht«, sagte ich.
Hinter der dritten Tür, die wir wegsprengten, war eine vierte. Inzwischen sagte Hal nichts mehr, bis auf eine kleine Kanonade von Flüchen, als er wegen seiner kalten Finger Probleme hatte, den Sprengstoff in die immer kleineren Schlüssellöcher zu stecken.
»Da kann nicht mehr viel Platz für irgendwas drin sein«, bemerkte ich, nachdem wir die fünfte Tür gesprengt hatten und eine sechste erblickten.
»Da ist kaum noch Platz drin für ein Paar Pantoffeln«, sagte Hal.
»Aber nur für Kinderpantoffeln«, ergänzte ich.
»Ich will die Tür aufkriegen«, sagte Hal verbissen und sprengte die Tür auf.
»Was ist drin?«, fragte ich mit von den Gasen brennenden Augen.
»Nichts«, sagte er.
»Nichts?«
»Ein Schlüssel. Sieht aus wie der von Nadira. Und das hier.« Er hielt mir ein kleines Notizbuch hin. »Du bist der Schriftgelehrte, Cruse. Was ist das?«
Ich schlug das Buch irgendwo auf. Die Seite war eng mit einer kleinen, akribischen Handschrift beschrieben.
»Sieht aus wie eine Art Tagebuch.«
»Er legt sein Tagebuch in den Safe!« Hal fluchte und gab dem demolierten Safe einen Tritt. Nun war er überhaupt nicht mehr fröhlich. Ich steckte das Tagebuch in meinen Rucksack.
Wieder erfüllte das erschreckende Zischen Grunels Luxusabteil, und obwohl ich wusste, was es war, jagte es mir doch eine Gänsehaut über den Rücken. Das grüne Fähnchen der Rohrpost sprang hoch. Ich nahm die Kapsel heraus und drehte sie auf. Diesmal steckte etwas darin, eng zusammengerollt. Vorsichtig zog ich mehrere Blätter hervor. Es waren Pläne voller komplizierter Zeichnungen und Bemerkungen. Mein Blick fiel auf eine große, zylindrische Figur, die aussah wie das Teleskop in Grunels Werkstatt. Aber noch bevor ich daraus schlau werden konnte, riss mir Hal die Blätter aus der Hand.
»Noch mehr von seinen blöden, idiotischen Erfindungen.« Er rollte die Blätter grob zusammen und stieß sie zurück in die Kapsel. »Vielleicht ein Bartausrupfer oder ein automatischer Nasenpopler!«
»Hal, warte …«
Er stopfte die Kapsel in die Ausgangsröhre der Rohrpost und zog an der mit einer Quaste geschmückten Kordel. Der Behälter wurde zurück in das System gesaugt.
»Das hätten wir vielleicht noch brauchen können!«, protestierte ich.
»Wenn es nicht
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