Airframe
Casey.
»Nun, weil Reardon fast keine Informationen zur Verfügung hat, ist seine wichtigste Waffe die Manipulation der Informationen, die Sie ihm geben. Reardon hat einen Ruf als Killer, aber wenn man ihn beobachtet, sieht man, daß er eigentlich immer nur einen einzigen Trick anwendet. Und der geht folgendermaßen: Er bringt Sie dazu, daß Sie einer Reihe von Aussagen zustimmen, daß Sie dazu nicken, ja, ja - und dann überrumpelt er Sie mit etwas völlig Unerwartetem. Reardon macht es schon sein ganzes Leben lang so. Es ist erstaunlich daß die Leute das noch nicht gemerkt haben.
Er sagt zum Beispiel: Sie sind eine Frau. Ja. Sie leben in Kalifornien. Ja. Sie haben einen guten Job. Ja. Sie genießen Ihr Leben. Ja. Und warum haben Sie dann das Geld gestohlen? Und Sie haben die ganze Zeit genickt, und plötzlich sind Sie verwirrt und aus dem Gleichgewicht, und er hat eine Reaktion, die er ausnutzen kann.
Vergessen Sie nicht, alles, was er will, ist diese Ein-Satz-Reaktion. Wenn er die nicht bekommt, macht er kehrt und stellt die Frage anders. Es kann sein, daß er immer und immer wieder auf ein Thema zu sprechen kommt. Wenn er immer wieder dieselbe Frage aufwirft, dann wissen Sie, daß er noch nicht bekommen hat, was er will.«
»Okay.«
»Martin hat noch einen Trick. Er wird eine provokante Behauptung in den Raum stellen und dann innehalten und Ihre Reaktion abwarten. Er wird sagen: Casey, Sie bauen Flugzeuge, also müssen Sie doch wissen, daß Flugzeuge unsicher sind … Und auf ihre Erwiderung warten. Aber Sie müssen sich bewußt sein, daß er Ihnen noch gar keine Frage gestellt hat.«
Casey nickte.
»Oder er wiederholt mit ungläubigem Unterton das, was Sie gesagt haben.«
»Ich verstehe«, sagte Casey.
»Sie verstehen?« fragte Gershon und hob überrascht die Augenbrauen. Es war eine ziemlich gute Imitation Reardons. »Sehen Sie, was ich meine. Er wird Sie dazu verleiten, sich selbst zu verteidigen. Aber das müssen Sie gar nicht. Wenn Martin Ihnen keine Frage stellt, brauchen Sie gar nichts zu sagen.«
Casey nickte. Gar nichts sagen.
»Sehr gut.« Gershon lächelte. »Sie werden das hervorragend machen. Aber denken Sie daran, sich alle Zeit zu nehmen, die Sie brauchen. Das Interview wird aufgenommen, das heißt, man wird alle Pausen herausschneiden. Wenn Sie eine Frage nicht verstehen, bitten Sie ihn, sie zu verdeutlichen. Martin versteht es hervorragend, unbestimmte Fragen zu stellen, die aber eine sehr konkrete Antwort provozieren. Denken Sie daran: Er weiß eigentlich gar nicht, wovon er spricht. Er ist nur für einen Tag hier.«
»Verstehe«, sagte Casey.
»Nun. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ihn anzusehen, dann tun Sie es. Wenn Sie es nicht können, sollten Sie sich einen Punkt in der Nähe seines Kopfs aussuchen, die Kante der Stuhllehne etwa oder ein Bild an der Wand hinter ihm. Konzentrieren Sie sich darauf. Die Kamera wird nicht feststellen können, ob Sie ihn direkt ansehen oder nicht. Tun Sie einfach alles, was
nötig ist, damit Sie Ihre Konzentration behalten.«
Casey versuchte es und sah an Gershons Ohr vorbei.
»So ist es gut«, sagte Gershon. »Sie werden das hervorragend machen. Da ist nur noch eins, was ich Ihnen sagen kann, Katherine. Ihre Arbeit ist sehr komplex. Wenn Sie versuchen, Martin diese Komplexität zu erklären, wird Sie das frustrieren. Sie werden das Gefühl bekommen, daß ihn das nicht interessiert. Er wird Sie wahrscheinlich unterbrechen. Weil es ihn nämlich wirklich nicht interessiert. Viele Leute klagen, daß dem Fernsehen die Konzentration auf ein Thema fehlt. Aber das liegt in der Natur des Mediums. Beim Fernsehen geht es gar nicht um Information. Information ist aktiv, mitreißend. Fernsehen ist passiv. Information ist von Interessen unbeeinflußt, objektiv. Fernsehen ist Unterhaltung. Was Martin auch sagt, wie er auch agiert, in Wahrheit hat er absolut kein Interesse an Ihnen, an Ihrer Firma oder an Ihren Flugzeugen. Er wird dafür bezahlt, daß er sein einziges verläßliches Talent ausspielt: Leute zu provozieren, sie zu einem emotionalen Ausbruch zu verleiten, sie dazu zu bringen, die Beherrschung zu verlieren und etwas Unerhörtes zu sagen. Über Flugzeuge will er eigentlich gar nichts wissen. Er will einen fernsehtauglichen Augenblick. Wenn Sie das begreifen, werden Sie mit ihm fertig.«
Und dann lächelte sie ihr großmütterliches Lächeln. »Ich weiß, daß Sie es hervorragend machen werden, Casey.«
Casey fragte: »Werden Sie dabeisein? Beim
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