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Airframe

Airframe

Titel: Airframe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Dann schaltete sie ab. Sie brauchte einen Augenblick Zeit zum Nachdenken.
    Jennifer Malone war neunundzwanzig Jahre alt, die jüngste Beitragsproduzentin in der Geschichte von Newsline. Sie hatte schnell Karriere gemacht, weil sie gut war in ihrem Job. Sie hatte früh Talent gezeigt; schon als Studentin an der Brown hatte sie, wie jetzt Deborah, in den Sommerferien als Volontärin in der Redaktion gearbeitet, hatte bis spät in die Nacht recherchiert, war am Nexis-Computer gesessen und hatte sich durch
    Agenturmeldungen gewühlt. Schließlich, mit klopfendem Herzen, war sie zu Dick Shenk gegangen und hatte ihm eine Story über dieses merkwürdige neue Virus in Afrika und den tapferen CDC-Arzt vor Ort vorgeschlagen. Das hatte zu der berühmten Ebola-Story geführt, der größten Newsline -Sensation des Jahres, und zu einem weiteren Peabody Award für Dick Shenks Trophäensammlung.
    Kurz darauf hatte Jennifer den Darryl-Strawberry-Beitrag nachgereicht, dann den Bericht über den Tagebergbau in Montana und schließlich die Story über die Glücksspiellizenz der Irokesen. Bis dahin hatte es kein Volontär je mit einem eigenen Beitrag in die Sendung geschafft; Jennifer gleich mit vieren. Shenk verkündete, ihm gefalle, wieviel Mumm sie habe, und bot ihr eine Stelle an. Daß sie dazu noch intelligent und gutaussehend war und von einer Ivy-League-Uni kam, schadete auch nicht. Nach ihrem Diplom im folgenden Juni ging sie direkt zu Newsline.
    Die Redaktion hatte fünfzehn Produzenten, die die Beiträge herstellten. Jeder war einem der vor der Kamera agierenden Moderatoren zugeteilt, und von jedem wurde alle vierzehn Tage eine Story erwartet. Im Durchschnitt dauerte die Produktion einer Story vier Wochen: Zwei Wochen Recherche und dann Besprechungen mit Dick Shenk, bis der grünes Licht gab. Danach mußte der Produzent die Locations besuchen, das ganze Background-Material abdrehen und die zweitrangigen Interviews machen. Die Story wurde vom Produzenten geformt und geschliffen und dann für den sogenannten Tele-Star aufbereitet, der nur für einen Tag dazukam, die An-und Abmoderation und die zentralen Interviews machte, sich dann wieder verabschiedete und dem Produzenten den endgültigen Schnitt des Bandes überließ. Irgendwann vor dem Sendetermin kam der Star dann ins Studio und las von einem Skript, das der Produzent vorbereitet hatte, den Off-Kommentar zu den Bildern ab.
    Wenn der Beitrag schließlich gesendet wurde, wirkte der Tele-Star wie ein »echter« Reporter: Newsline wachte eiferüschtig über den Ruf seiner Stars. Tatsächlich aber waren die Produzenten die wirklichen Reporter. Die Produzenten waren es, die die Geschichten aufdeckten, ermittelten und gestalteten, die die Skripts verfaßten und den Beitrag schnitten. Die Tele-Stars taten nur, was man ihnen sagte.
    Jennifer mochte dieses System. Sie hatte beträchtliche Macht, und es gefiel ihr, daß sie hinter den Kulissen arbeitete und ihr Name nie bekannt wurde. Sie fand ihre Anonymität durchaus hilfreich. Wenn sie Interviews machte, betrachteten ihre Gesprächspartner sie oft nur als Handlangerin und redeten deshalb offener, obwohl die Kamera lief. Meist fragten die Interviewten irgendwann: »Wann treffe ich Marty Reardon?«, und sie antwortete dann mit ernster Miene, das sei noch nicht entschieden, und fuhr mit ihren Fragen fort. Und horchte dabei den dummen Trottel aus, der dachte, die Unterhaltung mit ihr sei nur eine Sprechprobe.
    Tatsache war, sie hatte die Story gemacht, und es war ihr gleichgültig, daß die Stars dafür die Lorbeeren einheimsten. »Wir behaupten ja nie, daß sie die Reporterarbeit machen«, pflegte Shenk zu bemerken. »Wir tun nie so, als würden sie jemanden interviewen, den sie nicht tatsächlich interviewt haben. In dieser Sendung steht der Star nicht im Mittelpunkt. Die
    Story steht im Mittelpunkt. Der Star ist nur der Leiter - er geleitet die Zuschauer durch die Geschichte. Der Star ist jemand, dem sie vertrauen, den sie gern bei sich zu Hause sehen.«
    Und das stimmte ja auch, dachte Jennifer. Außerdem blieb gar keine Zeit, es anders zu machen. Eine Medienstar wie Marty Reardon hatte einen volleren Terminkalender als der Präsident, er war vermutlich sogar berühmter und hatte einen höheren Wiedererkennungswert. Man konnte nicht erwarten, daß jemand wie Marty seine wertvolle Zeit mit mühsamer Kleinarbeit vergeudete, daß er eventuell über falsche Spuren stolperte und trotzdem aus dem, was er hatte, eine Story zusammenbastelte.

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