Airframe
aber für seine Seite gab es keinen Knüppelschüttler. Für den Ersten Offizier ist das eine Kundenoption, die American nicht bestellt hatte. Und Douglas hatte in das Sackflug-Warnsystem keine Redundanz eingebaut. Als die Maschine deshalb in den Sackflug überging, merkte der Erste Offizier nicht, daß er mehr Gas geben mußte.«
»Okay«, sagte Richman, »aber eigentlich hätte es auf der Kapitänsseite überhaupt nicht zu einem Stromausfall kommen dürfen.«
»Nein, das war ein eingebautes Sicherheitsmerkmal«, sagte Casey. »Douglas hatte die Maschine so konstruiert, daß sie solche Störungen überstand. Als das linke Triebwerk abbrach, schaltete die Maschine bewußt die Stromzuführung des Kapitäns ab, um weitere Kurzschlüsse zu verhindern. Vergessen Sie nicht, alle Systeme eines Flugzeugs sind redundant. Wenn eins ausfällt, übernimmt das Reservesystem. Und es wäre einfach gewesen, die Instrumente des Kapitäns wieder zu aktivieren; der Flugingenieur hätte nur ein Relais zu überbrücken oder das Notstromaggregat zuzuschalten brauchen. Aber er tat keins von beiden.«
»Warum nicht?«
»Das weiß kein Mensch«, sagte Casey. »Und da dem Ersten Offizier die notwendigen Informationen auf seinem Display fehlten, reduzierte er die Fluggeschwindigkeit, was zum Sackflug und zum Absturz führte.«
Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Überlegen Sie, auf wie viele Arten dieses Unglücks hätte vermieden werden können«, sagte Casey schließlich. »Die Wartungsteams hätten die Träger auf Schäden hin untersuchen können, nachdem sie schon beim Ausbau nicht vorschriftsmäßig vorgegangen waren. Das haben sie aber nicht getan. Continental hatte bereits zweimal Träger beim Transport mit Gabelstaplern beschädigt und hätte American sagen können, daß dieses Vorgehen gefährlich ist. Das haben sie aber nicht getan. Douglas hatte American von Continentals Problemen berichtet, aber American ignorierte die Warnung.«
Richman schüttelte den Kopf.
»Und nach dem Unfall konnte Douglas nicht sagen, daß es ein Wartungsproblem war, weil American ein geschätzter Kunde war. Douglas wollte sich deshalb bedeckt halten. Bei all diesen Unfällen ist es immer dasselbe - die Sache kommt nur an die Öffentlichkeit, wenn die Medien sie ausgraben. Aber die Geschichte ist kompliziert, und das ist schwierig fürs Fernsehen … deshalb zeigen sie einfach ihr Bildmaterial. Das Band des Unfalls, das zeigt, wie das linke Triebwerk abbricht, die Maschine nach links abschmiert und abstürzt. Die Bilder lassen den Eindruck entstehen, daß das Flugzeug schlecht konstruiert war, daß Douglas einen Trägerschaden nicht vorausgesehen und deshalb keine entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen eingebaut hatte. Was natürlich absolut nicht stimmte. Aber Douglas hat nie mehr eine DC-10 verkauft.«
»Nun ja«, sagte Richman. »Ich glaube nicht, daß man die Medien dafür verantwortlich machen kann. Die machen die Nachrichten doch nicht. Sie berichten nur darüber.«
»Um das geht’s mir ja«, sagte Casey. »Sie haben nicht darüber berichtet, sie haben nur das Band gesendet. Der Absturz in Chicago war ein Wendepunkt für unsere Industrie. Das erstemal, daß ein gutes Flugzeug von einer schlechten Presse zerstört wurde. Der Gnadenstoß war der NTSB-Bericht vom 21. Dezember. Niemand hat darauf geachtet.
Wenn deshalb jetzt Boeing sein neues Flugzeug, die 777, vorstellt, wird parallel zur Markteinführung eine umfassende Pressekampagne gestartet. Boeing hat einer Fernsehgesellschaft erlaubt, die Jahre der Entwicklung zu filmen, und herauskommen wird dabei ein sechsteiliger Dokumentarbericht im öffentlichen Fernsehen. Es wird ein Begleitbuch geben. Sie haben alles getan, um dem Flugzeug schon im voraus ein gutes Image zu verschaffen. Weil die Risiken zu hoch sind.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Medien so viel Macht haben«, sagte Richman.
Casey schüttelte den Kopf. »Marder macht sich berechtigterweise Sorgen«, sagte sie. »Wenn irgendjemand in den Medien Wind vom Flug 545 bekommt, dann hatte die N-22 zwei Vorfälle in zwei Tagen. Und dann stecken wir bis zum Hals in Schwierigkeiten.«
13 Uhr 54 Ortszeit
Newsline/New York
In Manhattan, in den Redaktionsräumen der wöchentlichen Nachrichtensendung Newsline im dreiundzwanzigsten Stock eines Hochhauses, stand Jennifer Malone am Schneidetisch und arbeitete gerade an einem Interview mit Charles Manson, als ihre Assistentin Deborah ins Zimmer kam und ihr ein
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