Airframe
dem Management reden, nicht mit der PR-Abteilung. Sie wurde ins Büro des Präsidenten durchgestellt und dann an eine Frau namens Singleton weitergeleitet. »Wie kann ich Ihnen helfen?« fragte die Frau.
»Soweit ich weiß, gibt es bei der europäischen Freigabe der N-22 eine Verzögerung. Hat diese Maschine ein Problem?«
»Absolut kein Problem«, sagte Singleton. »Wir fliegen die N-22 in diesem Land bereits seit fünf Jahren.«
»Nun, ich habe aber aus gewissen Quellen gehört, daß es ein unsicheres Flugzeug ist«, sagte Jennifer. »Erst gestern ging auf der Rollbahn in Miami ein Triebwerk in Flammen auf…«
»Um genau zu sein, ein Rotor ist geborsten. Und das wird jetzt untersucht.« Die Frau sprach ruhig und gelassen, als sei es das Normalste auf der Welt, daß ein Triebwerk explodiert.
- »Rotor geborsten«!
»Aha«, sagte Jennifer. »Verstehe. Aber wenn es stimmt, daß Ihre Maschine keine Probleme hat, warum verweigert dann die JAA die Freigabe?«
Die Frau am anderen Ende zögerte kurz. »Dazu kann ich Ihnen nur Hintergrundinformationen liefern«, sagte sie dann. »Bitte zitieren Sie mich nicht.«
Jetzt klang sie verunsichert, angespannt.
Gut. Hier schien Jennifer auf der richtigen Fährte zu sein.
»Es gibt absolut kein Problem mit dem Flugzeug, Ms. Malone. In diesem Land fliegt die Maschine mit Triebwerken von Pratt and Whitney. Aber die JAA sagt uns, daß wir, wenn wir das Flugzeug in Europa verkaufen wollen, es mit IAE-Triebwerken ausstatten müssen.«
»IAE?«
»Ein europäisches Konsortium, das Triebwerke herstellt. Wie Airbus. Ein Konsortium.«
»Aha«, sagte Jennifer.
- IAE = Konsortium/Europa.
»Angeblich«, fuhr Singleton fort, »will die JAA, daß wir das Flugzeug mit dem IAE-Triebwerk ausstatten, um den europäischen Lärm-und Abgasvorschriften zu entsprechen, die strenger sind als bei uns in den USA. Tatsächlich ist es aber so, daß wir Flugzeugzellen herstellen, keine Triebwerke, und daß unserer Ansicht nach die Entscheidung, welcher Triebwerkstyp in die Maschine installiert wird, dem Kunden überlassen werden sollte. Wir bauen das Triebwerk ein, das der Kunde verlangt. Wenn er ein IAE will, bauen wir ein IAE ein. Wenn er ein Pratt and Whitney will, bauen wir ein Pratt and Whitney ein. Wenn er ein GE will, bauen wir ein GE ein. So war es immer in diesem Geschäft. Der Kunde sucht das Triebwerk aus. Wir betrachten dies also als einen ungerechtfertigten regulatorischen Eingriff der JAA. Wir bauen sehr gern IAE-Triebwerke ein, wenn Lufthansa oder Sabena das wollen. Aber wir denken, daß es der JAA nicht möglich sein darf, diesen freien Markt zu kontrollieren. Das heißt also, diese ganze Sache hat mit Lufttauglichkeit nichts zu tun.«
Als sie das hörte, runzelte Jennifer die Stirn. »Sie sagen also, daß es bei diesem Streit um behördliche Kontrolle geht.«
»Genau. Hier geht es um Handelsbeschränkungen. Die JAA ist eine europäische Organisation, die uns europäische Triebwerke aufzuzwingen versucht. Wenn das ihre Absicht ist, sollte sie diese Triebwerke den europäischen Fluggesellschaften aufzwingen, nicht uns.« - Streit um behördliche Kontrolle.
»Und warum hat sie sie den Europäern nicht aufgezwungen?«
»Das müssen Sie die JAA fragen. Aber ehrlich gesagt, ich kann mir vorstellen, daß sie es bereits versucht hat und zum Teufel geschickt worden ist. Wissen Sie, Flugzeuge werden gemäß der Spezifikationen der Fluggesellschaften maßgeschneidert. Sie suchen sich die Triebwerke, die Elektronikkonfigurationen und die Innengestaltung aus. Es ist ihre Entscheidung.«
Jennifer malte nun wieder Männchen. Sie hörte nur noch auf den Ton in der Stimme der Frau am anderen Ende und versuchte, zu erspüren, was sie empfand. Die Frau klang leicht gelangweilt, wie eine Lehrerin am Ende des Tages. Jennifer spürte keine Anspannung, kein Zögern, keine Geheimnisse.
Scheiße, dachte sie. Keine Story.
Sie machte noch einen letzten Versuch: Sie rief beim National Transportation Safety Board in Washington an und wurde zu einem Mann namens Kenner in der PR-Abteilung durchgestellt.
»Ich rufe an wegen der JAA-Freigabe der N-22.«
Kenner klang überrascht. »Also wissen Sie, das fällt eigentlich gar nicht in unseren Bereich. Da sollten Sie wohl eher mit jemandem von der FAA sprechen.«
»Können Sie mir wenigstens ein paar Hintergrundinformationen geben?«
»Na ja, die FAA-Bestimmungen für die Freigabe von Flugzeugen sind sehr streng und dienen oft als Vorbild für die
Weitere Kostenlose Bücher