Airport-Klinik
Oberkörper, Arme, Gesicht verbrannt. Nur die Haare schimmerten noch blond. Sein Schädel war eingedrückt.
Und wieder ein Opfer. Keine zehn Meter weiter. Hansen kauerte sich auf den Beton. Um ihn die Rufe der Sanitäter. Nun waren auch Bundesgrenzschutz-Beamte aufgetaucht, um bei der Bergung mitzuarbeiten. Der Mann, der hier lag jedoch … Sein Alter war nicht mehr zu bestimmen. Jung jedenfalls war er nicht. Die schwarze leder-, fast krustenartige Hautschicht war kaum von der verbrannten Kleidung zu unterscheiden.
Hansen suchte die Halsschlagader: Lebte! – Noch …
Aber dies hier war eine vollständige dermale Verbrennung. Das Feuer hatte sich durch alle Hautschichten in die unteren Gewebebezirke durchgefressen. – Die Hautgefäße hier? Kein Blut, sie waren verstopft, thromboisiert … Er dachte an die alte Grundregel: Nimm die Prozentzahl der Verbrennungsausdehnung und zähle die Lebensjahre hinzu. Falls die Summe eine Zahl über hundert ergibt, ist der Fall hoffnungslos.
Er war es.
»Bringen Sie ihn zu dem Großraumwagen mit den Verbrennungsfällen«, sagte er zu den beiden BGS-Männern, die mit ihrer Trage vor ihm standen. »Und sagen Sie dem Arzt nur eine Zahl: Vier. Verstanden?«
»Vier! – Jawohl.«
VIER. – Für derartige Katastrophen hatten sie vier Kategorien geschaffen: Erstens die Fälle, die sofortiges Handeln notwendig machten. Dann die Fälle, die nach einer Erstversorgung in die Kliniken abgeschoben werden konnten. Drittens Fälle, die nicht transportfähig waren und daher einer intensiven Versorgung bedurften. Schließlich die Kategorie vier: hoffnungslos … Das Einzige, was noch getan werden konnte, war Linderung der Schmerzen.
Kategorie vier – ein Todesurteil? Nein. Er war nicht zu retten …
Er dachte es, als er der Bahre nachsah und den schmerzenden Rücken streckte. Überall rannten die Retter-Paare, mit den Tragen zwischen sich. Auch er mußte sofort zurück, um am OP-Tisch die notwendigsten Eingriffe zu machen.
Er begann wieder zu laufen, mäßigte dann seinen Schritt. EISERNE RUHE … Was nützt es, wenn du mit fliegendem Puls an einem der OP-Tische im Wagen stehst?
Und als er so ging, die Wracks und Trümmer sah und die ausgebrannte Maschine dort, deren gesamter Heckteil vollständig weggesprengt worden war, sowie den umgekippten Bus – da konnte er ungefähr rekonstruieren, was passiert sein mußte. Die gewaltige Detonation hatte den Bus zur Seite geschleudert und umgekippt. Doch den Brand hatte nicht das auslaufende Flugkerosin verursacht, wie er zunächst angenommen hatte, sondern das Benzin aus dem Bus-Tank. Und es mußte sich auch nicht gleich entzündet haben, denn die Schiebetüren standen offen, und viele dieser armen jungen Menschen hatten sich noch ins Freie retten können, ehe das Höllenfeuer losbrach …
»Mensch, Doktor«, keuchte Fritz Wullemann neben ihm, »wann kommen denn bloß endlich die anderen?«
Ja, wann?! Wann endlich kamen andere Ärzte? Wann kam Hilfe? Gegen diesen Ansturm von Tod und Schmerz waren sie nichts als ein verlorener Haufen …
Die Zeit hatte ihre Bedeutung verloren. Sekunden, die sich ins Endlose zogen. Minuten, die wie Stunden wogen. – Am Wagen ›Alpha‹, dem Großraumfahrzeug, in dem man die Verbrennungsfälle versorgte, waren die Seitenwände ausgezogen und mit einem Segeltuch-Dach versehen worden. In dem so gewonnenen Raum standen die Bahren mit den Opfern. Die meisten waren bereits für den Transport in Metallfolie gekühlt. Helfer rannten an den Reihen entlang, kühlten die verbrannten Hautbezirke mit kaltem, sterilem Wasser, Eisbeuteln, Eiskompressen und bekämpften die Rauchvergiftung, die viele der Schüler erlitten hatten, mit Sauerstoff-Inhalationen. Sie legten Blasen-Katheter und Magensonden, gaben die schweren Analgetika, um die unerträglichen Schmerzen nicht aufkommen zu lassen, und versuchten mit Ringer-Lactat-Lösungen und Plasma-Infusionen die ständige Gefahr eines Verbrennungs-Schocks zu bannen.
Still war es hier. Aber vielleicht bildete Hansen sich die Stille auch nur ein. Nichts als unterdrückte Stimmen, Röcheln, geschlossene Augen, verbrannte Gesichter.
Innen, in einer der beiden Operations-Zellen, versorgte Walter Hechter gerade eine offene Rippen-Fraktur, denn ehe die Verletzten in eines der Verbrennungs-Zentren gebracht werden konnte, mußte die wichtigste Primär-Versorgung geleistet sein. Er arbeitete schweigend, verbissen und geschickt. Lukrezia und Tina Zander halfen. Lukrezia liefen Tränen
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