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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abgrund entgegensausten. Erst im allerletzten Moment hatte er Antonio schnappen und sich an einem Strauch festhalten können.
    Doch damals war es die Angst um Antonio gewesen. Nun hatte er Angst um sich selbst.
    »Du mußt ins Ausland fliegen, Ramon«, hatte José am Telefon gesagt. José Cesar Rigiera Porras, der Vetter seiner Frau.
    »Und wohin?«
    »Alemania. Deutschland.«
    Deutschland? Das war eine Reise um die halbe Welt. Und er konnte nicht ablehnen. Nein, das konnte er nicht, denn José hatte ihm seine Kusine vorgestellt: Maria. Als sie noch 17 und er, Ramon, gerade 23 war. Und José hatte dann auch noch die Hochzeit bezahlt und ihm den Job als Geometer in Villaverde hier besorgt. José hatte die Finger überall drin, kannte alle, wußte alles. Und nun sprach er von einem Flug nach Alemania, als ginge es um ein Familien-Picknick in Antioquia oder unten am Fluß.
    Ramon warf einen letzten Blick auf seinen Garten mit den Tomaten, den Bananen, Pfirsichen und den Pimentos, die auch schon reif wurden. Dann ging er ins Haus, um nachzusehen, ob seine Frau Maria den Koffer gepackt hatte.
    Der Koffer lag auf dem Bett und war zugeschnallt. Maria aber kniete in der Ecke vor dem Bild der Heiligen Jungfrau und betete. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte das gleiche, das José ihm vor zwei Stunden am Telefon gesagt hatte: »Jetzt reg dich nicht auf«, sagte er; »was ist denn schon dabei? Nichts, als eine kleine Urlaubsreise nach Europa ist das. Und dazu noch auf anderer Leute Kosten. Wer hat schon solches Glück.«
    Auf anderer Leute Kosten? dachte er. Zum Teufel mit den anderen Leuten!
    Bereits eine halbe Stunde später saßen Ramon und José in einem funkelnden, rotlackierten, sündteuren neuen Nissan-Geländewagen, rollten den Hang hinab, verließen das Tal, und dann endlich begann José zu reden und gab Ramon die ersten präzisen Informationen.
    Sie hatten, wie José sagte, eine ›kleine Transport-Frage‹ zu lösen. »Hängt ziemlich viel davon ab, Ramon. Deshalb haben sie mir die Sache in die Hand gegeben. Na ja, und ich dachte mir, da gibt's doch noch meinen Freund oben in Villaverde. Und der ist mir schon längst einen Gefallen schuldig, nicht wahr?«
    Ramon nickte. Was blieb ihm übrig. Und was zu transportieren war, konnte er sich ohnehin denken. Der Nissan hier und der BMW, den José in der Garage seines protzigen Chalets in Medellin stehen hatte, und der Pool und die Kleider seiner Frau und der Gymnasiumbesuch seiner Tochter Mercedes – all die Dollars, die Schweizer Franken oder D-Mark, mit denen Ramon den ganzen Aufwand bezahlte … woher sie kamen, das wußte Ramon. Er wußte auch, daß José zu denen gehörte, die für den ›Weiterfluß‹ der Gelder zu sorgen hatten. Um Millionen ging es, um Milliarden … Wie hatte die Zeitung kürzlich geschrieben: »Die kolumbianische Kokain-Industrie steht auf der Liste der größten Industrie-Unternehmen der Welt an siebter Stelle. Sie ist ein Imperium.«
    Das Imperium der ›Weißen Göttin‹, der Göttin des Kokains, umspannte von diesen Anden-Tälern aus die ganze Welt. Die ›siebte Weltrangstelle‹ hatte Kolumbien Jahr um Jahr Tausende von Toten gekostet, hatte in den Jahren der ›violencia‹ das ganze Land in ein Bad von Blut getaucht. Im Krieg der Drogen-Barone gegen den Staat gab es keine Gnade.
    »Wieso denn ich?« flüsterte Ramon. »Dios mió, wieso bist du bloß auf mich gekommen?«
    »Hättest du nicht gedacht, was?« José lachte. »Na gut, zunächst habe ich es mir auch überlegt. Ich kenne ja Maria. Sie dreht ziemlich leicht durch. Aber es ging nicht anders. Ich fand keinen anderen. Es ist auch zu wichtig.«
    »Und da nehmt ihr mich?«
    »Natürlich. Gibt's einen Besseren?« José hatte ein rundliches, verfettetes Gesicht, doch nun wurde sein Mund plötzlich dünn und die Augen hart. »Du wirst schon nicht in Schwierigkeiten kommen. Die Sache ist hundertmal durchdacht. Sie stimmt bis ins letzte Detail. Es geht auch nicht um eine Tonne, sondern nur um ein paar Gramm.«
    Ein paar Gramm? Auch das wird gefährlich sein, überlegte Ramon, und rief: »Fahr doch nicht so schnell!«
    Aber darauf hörte José nicht und fuhr weiter Vollgas. Die Tachonadel war wie festgeklebt auf hundertfünfzig. Das Radio brachte eine Stierkampf-Reportage aus der La Macarena in Medellin. Die Stimme des Sprechers war nicht laut, aber sie sägte wie ein Zahnarztbohrer. José schaltete sie ab.
    »Allzuviel brauchst du gar nicht wissen. Damit bringst du dich

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