Airport-Klinik
höchstens selbst in Gefahr. Nur das: Der Auftrag ist deshalb wichtig, weil der Chef einen Großkunden aufgetan hat, und der wird nicht nur Deutschland, sondern auch Holland, Österreich und Italien versorgen. Die Methode, mit der wir das Zeug rüberschaffen, ist gelöst. Geht alles per Schiff. Aber der Mann will wissen, was wir liefern, ehe er unterschreibt. Und das ist auch sein gutes Recht. Nur: Bei diesen dämlichen Warenproben sind wir schon zweimal auf die Schnauze gefallen.«
Er machte eine Pause. Wahrscheinlich will er jetzt, daß ich etwas antworte, dachte Ramon, aber er sagte nur: »Ich höre!«
»Du hörst?« José war amüsiert. »Na also, dann höre! Wir sind auf die Schnauze gefallen. Und warum? Weil sie die Kuriere schnappten. Standen alle schon im Computer. Gezeichnete Gesichter, verbrannte Erde. Na schön, und was war der Ausweg? Komm, rat mal, kannst ja schließlich auch was zur Diskussion beitragen.«
»Der Mann deiner Kusine, der Bauerntrottel aus Villaverde, den kein Schwein kennt, wäre der ideale Kurier … Ist es das?«
Wieder lachte José: »Du brauchst dich nicht schlechter zu machen, als du bist, Ramon. Du bist auch kein Bauerntrottel, sondern Geometer und hast einiges drauf. Und weil das so ist, kannst du sogar eine internationale Geometer-Tagung in Deutschland besuchen, falls du Spaß daran hast. Und zwar in … in … Weiß der Teufel, wie das Kaff heißt, diese dämlichen deutschen Namen kann man ja noch nicht mal aussprechen. Fahr hin, Ramon, hör zu und sieh, was die Kollegen machen, bau dir einen internationalen Standard auf. Deutsch sprichst du ja auch. Hast du doch gelernt im Seminar?«
»Ich? Die paar Brocken …«
»Na schön. Aber englisch.«
Deshalb also, dachte Ramon, legte den Kopf gegen das Polster. »Und ich habe keine Wahl, was?«
»Du bist ein schlauer Kopf, Ramon. Stimmt. Keine.«
»Und was fällt für mich ab?«
»Das fragst du im Ernst? Nichts natürlich. Außer Spesen. Hier. Kann ich dir gleich geben.«
José griff in die Brusttasche und zog ein Kuvert heraus. »Da sind zweitausend Mark drin und dreihundert Dollar. Damit kannst du dir nicht nur das beste Hotel, sondern auch den besten Puff ganz Frankfurts leisten. Reicht das?«
Die Straße hatte sich zur Autobahn verbreitert, drei Spuren links, drei Spuren rechts, und so, im Strom der anderen Wagen, näherten sie sich der großen Stadt, die dort mit ganzen Batterien funkelnder Wolkenkratzer aus ihren Smog-Wolken aufragte: Medellin, die zweitgrößte Metropole des Landes mit über zwei Millionen Einwohnern. Medellin, von allen Seiten von schroffen Bergwänden umgeben, die Stadt des schnellen Reichtums und des schnellen Todes – Herz des Koka-Imperiums. Wie die Herrscher mittelalterlicher Stadt-Staaten hatten die Narko-Barone oben auf den Hängen von ihren Festungs-Villen aus die Stadt regiert. Hatten während der ›violencia‹ ganze Wohnblocks, Polizei-Kasernen und Verwaltungsgebäude in Schutt und Asche gelegt. Hatten mißliebige Journalisten, Politiker, Richter oder Rivalen gleich reihenweise zur Strecke gebracht.
Doch das war vorüber. Jetzt waren sie selbst in Bedrängnis.
Auf der großen Hinweistafel über der Autobahn erschien das schwarze Flugzeug im weißen Quadrat, der Hinweis auf den Flughafen: ›Aeropuerto Olaya Herrera – 8 km‹.
»Zuerst fliegst du nach Bogota. Dort geht es weiter mit der Lufthansa.«
Ramon rutschte im Sitz noch tiefer. Zweimal, dachte er angewidert, bin ich schon geflogen. Einmal Medellin-Bogota und zurück und einmal, als meine Schwester starb, nach San Andres … Und nun? Ich sollte diesem Idioten von José einen Schwinger verpassen, den Zündschlüssel rausreißen, dem Fettsack die Pistole abnehmen, die er bei sich hat, und ihn dann irgendwo im Straßengraben deponieren.
Er tat nichts, schloß stattdessen die Augen und spürte, wie der Wagen von der Autobahn abbog. Er öffnete erst wieder die Lider, als er den Kies hörte, der gegen die Schutzbleche knatterte.
Sie fuhren durch ein Spalier hoher, schattenspendender Eukalyptusbäume. Am Ende konnte Ramon ein Haus erkennen: Flach, mit schwarzen Schieferplatten.
Ein Haus? Ein Luxus-Bungalow war das.
José brachte den Nissan vor dem Garagenbau zum Stehen, nahm ein flaches Kästchen aus der Ablage und drückte einen Knopf. Das Garagentor schwenkte lautlos auf. Hier war Platz für viele Wagen, doch die Garage war leer. Hinter ihnen schloß sich das Tor. Es war dunkel und roch nach Benzin und Staub.
»Komm!«
Durch
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