Airport-Klinik
immer höher, hundertvierzig, hundertfünfzig, schneller – hundertsiebzig, hundertachtzig … Na, siehst du! Er hätte es schreien können: Da sind wir wieder!
Doch dann sprang ihn aus dem grauen, dunstigen Dunkel etwas an. Er sah das Warnlicht erst, als alles schon zu spät war. Sah noch ein: ›Achtung – Bauarbeiten‹. Rotweiße Bretter sah er, dahinter eine schwarznasse Zeltleinwand. Und einen Bauwagen.
Rolf Gräfe fühlte sich hochgehoben, so, als habe die Faust eines Riesen ihn in die Nacht geworfen. Endlos schien er zu dauern, dieser Flug, begleitet von einem seltsamen Lustgefühl – dann schlug er auf.
Sein Körper kreiselte ein halbes Dutzend mal um sich selbst, schlitterte über Asphalt, an nassen Autos vorüber, schlug an Bordsteinen auf, rutschte noch immer weiter. Und als das endlich vorüber war, blieb Rolf Gräfe trotz allem bei Bewußtsein. Da hast du's! dachte er. Es mußte so kommen. Scheiß-Kaff! Diese Scheiß-Welt! Scheiß-Leute! Alle haben dich verraten. Erst Fritz, dann Britte …
Und dann kam der Schmerz, schoß aus dem rechten Bein hoch ins Gehirn und ließ ihn schreien. Rolf Gräfe schrie laut und endlos. Er vernahm den Schrei, doch der gehörte wohl nicht zu ihm …
Die Jagdhütte lag versteckt unter großen, rotleuchtenden Ahornbäumen.
Als Hubert Lawinsky, Purser der australischen Fluglinie ›Quantas‹, auf die Terrasse trat, sog er tief die saubere, kühle Luft ein. Der See mit seiner Schilfinsel – wirklich wunderschön! Weit dahinter die Bergkette der Appalachen.
Im Grunde machte sich Hubert nur selten Gedanken über die Schönheit einer Landschaft oder die Natur überhaupt. Oft genug wußte er gar nicht mal so richtig, wo er sich eigentlich befand. Es war doch immer das gleiche: Nach einer Landung kommen irgendwelche Freunde und schleppen dich ab. Und schöne Flecken gibt's schließlich überall.
Aber diese Blockhaus-Siedlung, die Mortimer Barry im Südosten Floridas für die streß- und hitzegeplagten Reichen von Miami hochgezogen hatte, beeindruckte ihn doch.
Da kam Mortimer auch schon. Mit einem riesigen Martini in der Hand.
»Auch einen, Hubert?«
»Hör mal, alter Junge, wie stellst du dir das vor? Gestern haben wir uns bis drei Uhr in der Früh vollaufen lassen.«
»Gerade deshalb. Den Kater niederkämpfen.«
Lawinsky lachte. »Kämpf du mal allein. Ich kann's mir nicht leisten. Heute nachmittag startet mein Vogel nach Washington. Und dann geht's wieder über den Pazifik nach Tokio …«
Den Bauunternehmer Mortimer Barry hatte Hubert Lawinsky in einem der Trump-Kasino-Hotels von Miami Beach kennengelernt. Sie hatten sich auf Anhieb verstanden, und das um so mehr, als es Hubert schon am ersten Abend gelang, Barry eines der hübschesten Mädchen der ›Quantas‹-Flotte zuzuspielen: Florence Winters. Und Florence wiederum betrieb ihre Bettspielchen mit hochprofessionellem Können. Hubert wußte das, denn er hatte es selbst mit ihr durchexerziert.
Im allgemeinen bevorzugte Florence vor allem reiche Partner und bewies damit praktischen Sinn. Ihr von Hubert vermittelter Einsatz bei Barry war der Freundschaft zwischen beiden Männern jedenfalls sehr gut bekommen und gipfelte in Golf- und Pokerrunden, Sex-Partys und gemeinsamen Ausflügen.
Nun sollte für Lawinsky ein besonderer Gewinn aus dieser Beziehung abfallen: Barrys Geschäftsfreund Ricco Martin wollte Geld nach Europa verschieben. Und sowas lohnt sich immer.
»Wo bleibt denn Ricco?« fragte Lawinsky.
Mortimer deutete mit dem Glas zum Wald: »Da kommt er doch schon. Und pünktlich wie immer.«
Ein schwerer, leiser Continental brach durch die Büsche, die die Seiten des Waldwegs säumten. Ein Mann stieg aus: Schwarzes, zurückgekämmtes Haar, die Sonnenbrille im gebräunten Gesicht, ziemlich schmal, eine vorspringende Nase.
»Ist er das?«
Mortimer nickte.
»Sieht ja aus wie ein Mafioso.«
»Na«, grinste Barry, »gehören wir nicht alle ein bißchen zur Mafia?«
Ricco Martin hatte es eilig. Das Gespräch zwischen den drei Männern dauerte nicht länger als zehn Minuten. Es ging darum, daß die Summe von 135.000 Dollar nach Frankfurt gebracht und dort irgendwo auf eine Bank eingezahlt werden sollte. Doch diese Einzahlung brauchte Hubert nicht einmal selbst zu übernehmen; er hatte den Umschlag mit dem Geld lediglich einem bestimmten Mann auszuhändigen. Schwarzgeld natürlich. ›Geld waschen‹ nennt man sowas wohl. Und 5.000 Dollar fielen dabei für ihn ab. Fünf Riesen für einen so einfachen
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