Airport-Klinik
wann?«
Lawinsky kontrollierte die Datumsanzeige seiner Uhr. »Die Übergabe muß zwischen dem einundzwanzigsten und dem dreiundzwanzigsten erfolgen«, hatte Ricco gesagt. »Radonic ist in diesen Tagen zwischen sieben und zehn Uhr im Hotel zu erreichen. Dort erwartet er Sie. Klar?«
Heute war der zweiundzwanzigste. Und es war sieben Uhr.
Was würde er sagen, wenn ein Mädchen aufkreuzte mit elftausend Greenbacks weniger im Kuvert?
Na, über eine Erklärung konnte er später nachdenken. Das Geld müßte aufzutreiben sein. Sicher war nur: Es mußte etwas geschehen. Und heute! Sonst konnte er sich nie mehr in Atlanta, womöglich nirgendwo in den USA mehr zeigen. »Wir gehören alle ein bißchen zur Mafia«, hatte Mortimer gesagt. Okay – aber soll ich mich deshalb am nächsten Baum oder in Brittes Kleiderschrank aufhängen? Das wäre dann doch zu schade.
Britte hatte sich aufgerichtet, sah ihn voll kindlichem Vertrauen an. Mit einem Auge. Das andere bedeckten ihre Haare. Sie war süß, also wirklich …
Lawinsky stupste mit dem Zeigefinger ihre Nasenspitze an: »Am besten, wir bringen das gleich hinter uns, was meinst du, Kleines? Und am Abend, wenn du zurück bist, dann hauen wir so richtig einen drauf. Wir gehen dann … wie heißt diese Gegend, wo immer was los ist?«
»Sachsenhausen«, sagte sie. »Und gleich um die Ecke.«
»Ja, wir gehen nach Sachsenhausen. Oder in eine Disco. Oder in ein Nobel-Restaurant. Was du willst, du kannst dir's aussuchen. Und morgen gibt's auch was zur Belohnung. Was hältst du von 'nem Ring?«
»Viel«, strahlte sie und wunderte sich ein wenig, wieso er ein solches Theater machte wegen einer so kleinen Gefälligkeit.
Sie stand auf, ging unter die Dusche, schrubbte sich ab, band ein Tuch um das nasse Haar, schlüpfte in ihren Hosenanzug; das war immer am schnellsten und praktischsten. Schon nach fünf Minuten war sie fertig.
»Na, was sagst du nun? Weltrekord, was? Und wie seh ich aus?« Sie drehte sich kokett und zog doch eine Schnute. »Na, ist egal; für einen Stefan Radonic muß es in jedem Fall genügen.«
»Für einen Stefan Radonic bist du noch viel zu hübsch«, entschied er. »Und jetzt ab mit dir! Das heißt, gib mir noch einen Kuß.«
Sie küßte ihn. Er hielt sie fest: »Und hör mal, Kleines, wenn dieser Radonic nach mir fragt – du kennst mich nicht; sag ihm, daß ich für dich nichts anderes bin als ein flüchtiger Bekannter, den du von deiner Airport-Arbeit her kennst. Ein Purser, den du mal verarztet hast und der dich um einen Gefallen gebeten hat, weil er sich in Frankfurt nicht auskennt. Klar?«
»Klar«, nickte sie, machte sich widerstrebend aus seinen Armen los und ging.
Als sie auf der Straße ihren alten, verbeulten Golf anließ, warf sie noch einmal einen Blick hinauf zum dritten Stock, ganz so, als müsse er dort oben stehen und ihr nachwinken.
Niemand stand am Fenster. Na gut, auch das Haus würde für sie und ihr Leben bald der Vergangenheit angehören. Sie dachte an Hubert und versuchte gleichzeitig wieder einmal, sich von der tranceartigen, verrückten Zärtlichkeit zu befreien, in die seine Gegenwart sie stets versetzte. Sobald er weg war – und das geschah viel zu oft –, rief alles in ihr nach ihm. Und kam er ihr dann in seiner feschen Uniform entgegen, dieses freche Grinsen in den grünen Augen, wurde ihr ganz schwach vor Glück. Dieses Glück für immer festzuhalten – wie ging das? Wie konnte man es verwirklichen?
Elli, die Freundin, mit der sie die Wohnung teilte, war vernünftig genug, während der Zeit der Hubert-Landungen in Frankfurt zu ihrem Freund Ewald zu ziehen. Aber auf Dauer war ihr das ja nicht zuzumuten.
Eine eigene Wohnung müßte man haben. Wieviel besser wäre es doch, zu Hubert nach Australien zu ziehen, in das Land der Weite und der einsamen Strände, von denen er ihr immer erzählte. In das kleine Ferienhaus zum Beispiel, das seine Eltern bei Brisbane besaßen …
Träume … Aber waren sie unerfüllbar? Nie mehr Verbände wechseln, nie mehr eine Lukrezia Bonelli sehen, nicht mal einen Hansen … Australien! dachte sie und war über lauter Träumen bereits in der Fürstenberger-Straße gelandet, wo dieses Hotel ›Merlin‹ stehen sollte.
Und da konnte sie es auch schon lesen: MERLIN.
Britte fuhr den Wagen auf den Parkplatz und betrat die Halle, die mit ihren beiden verstaubten Gummibäumen und den durchgesessenen Kunstleder-Sofas ziemlich schäbig wirkte. In der Ecke saß ein dürrer, bebrillter Mann vor dem
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