Akte Atlantis
Achselzucken. »Wir bleiben draußen stehen und warten.« Er bedeutete Pitt mit einer knappen Kopfbewegung, dass er ihm folgen sollte, und steuerte den Gang an, durch den sie gekommen waren. »Sie wird in K-37 festgehalten«, sagte er, sobald sie außer Hörweite waren. »Ich glaube, wir sind auf dem Weg hierher an den Wohneinheiten mit der Ziffer drei vorbeigekommen.«
»Wird ihre Unterkunft bewacht?«, fragte Pitt.
»Da ich Wachschutzmontur trage, sollte ich vermutlich wissen, ob man Posten aufgestellt hat. Nein, ich hatte keine Lust, sie darauf anzusprechen.«
»Halten wir uns lieber ran«, sagte Pitt. »Die müssten inzwischen hinter uns her sein.«
Als sie sich K-37 näherten, sahen sie einen Posten vor der Tür stehen.
Giordino ging locker und lässig zu ihm. »Du wirst abgelöst.«
Der Wachmann, der gut einen Kopf größer war als der stämmige Italiener, musterte Giordino mit fragendem Blick.
»Ich habe noch zwei Stunden Dienst.«
»Sei doch froh, dass man uns zu früh hergeschickt hat.«
»Du kommst mir überhaupt nicht bekannt vor«, sagte der Wachmann unsicher.
»Du mir auch nicht.« Giordino wandte sich ab. »Dann eben nicht. Mein Kamerad und ich warten in der Kantine, bis dein Dienst zu Ende ist.«
Der Wachmann schlug augenblicklich einen anderen Ton an.
»Nein, nein, etwas mehr Freizeit kann ich gut gebrauchen.
Dann komme ich wenigstens zum Schlafen.« Ohne sich noch weiter aufhalten zu lassen, entfernte er sich raschen Schrittes und ging zum Fahrstuhl.
»Eine gelungene Vorstellung«, sagte Pitt.
»Ich besitze eben Überzeugungskraft«, versetzte Giordino grinsend.
Sobald der Wachmann in den Fahrstuhl am Ende des Korridors gestiegen war, trat Pitt mit aller Kraft gegen die Tür und sprengte das Schloss. Noch ehe die Tür innen anschlug, stürmten sie in die Unterkunft.
Ein junges Mädchen in einem blauen Overall stand in der Küche und trank gerade ein Glas Milch. Vor Schreck ließ sie das Glas auf den Teppichboden fallen. Pat, die ebenfalls einen blauen Overall trug, kam mit wehenden roten Haaren aus dem Schlafzimmer gestürmt.
Wie erstarrt blieb sie in der Tür stehen, schaute Pitt und Giordino erst ungläubig, dann fassungslos an, öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor.
Pitt ergriff ihren Arm, während sich Giordino das Mädchen schnappte.
»Für Küsse und Umarmungen ist keine Zeit«, sagte er kurz angebunden. »Wir müssen unsere Maschine erwischen.«
»Wo kommt ihr zwei schönen Männer denn her«, murmelte sie schließlich ungläubig, so als begreife sie immer noch nicht, wie ihr geschah.
»Ich weiß nicht, ob ich unbedingt als schön bezeichnet werden möchte«, sagte Pitt, als er sie um die Taille fasste und zur aufgebrochenen Tür zog.
»Warte!«, rief sie und wand sich aus seinem Arm. Sie stürmte noch einmal hinein und kehrte im nächsten Moment mit einem kleinen Aktenkoffer zurück, den sie an ihre Brust drückte.
Sie hatten jetzt keine Zeit mehr für Vorsichtsmaßnahmen und heimliches Erkunden – falls sie das überhaupt vorgehabt hatten.
Sie stürmten die langen Korridore entlang, vorbei an Arbeitern, die letzte Hand an das Schiff legten und sie verwundert anstarrten. Aber niemand machte Anstalten, sie aufzuhalten oder ihnen Fragen zu stellen.
Mittlerweile, davon war Pitt überzeugt, war höchstwahrscheinlich Alarm ausgelöst worden, und der bloße Gedanke an einen Zusammenstoß mit den erbarmungslosen Wolfs spornte ihn an. Sie mussten schleunigst vom Schiff herunter, sich zum anderen Ende des Piers durchschlagen, im Wasser verschwinden und drei Kilometer weit durch den kalten Fjord schwimmen. Aber damit war es noch nicht getan. Mit den Scootern kamen sie zwar schneller voran als mit bloßer Körperkraft, aber trotzdem würden Pat und ihre Tochter vermutlich an Unterkühlung sterben, ehe sie die Felsrinne und das Skycar erreichten.
Und seine Befürchtungen nahmen schlagartig zu, als schrille Sirenentöne über das ganze Werftgelände hallten, kaum dass sie beim nächsten Aufzug waren.
Bislang war ihnen das Glück hold. Der Aufzug stand mit offener Tür auf Ebene sechs. Drei Männer in roten Overalls waren gerade dabei, Büromöbel auszuladen. Wortlos und ohne jede Erklärung drängten Pitt und Giordino die verdutzten Packer ins Foyer, schoben Pat und ihre Tochter in die Kabine und fuhren keine fünfzehn Sekunden später nach unten.
In der kurzen Verschnaufpause, die ihnen vergönnt war, lächelte Pitt Pats Tochter an,
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