Akte Mosel
Schraubendreher aus der Küchenschublade zu dem anderen Kram in die Werkzeugkiste.
Gegenüber dem roten Gebäude, in dem Doris wohnt, wuchtet Walde die metallene Werkzeugkiste aus dem Kofferraum. Sein Blick streift über die von der Abendsonne beschienene Backsteinfassade. Neben dem Stadtbad ist dies ein weiteres Haus, an dem die Bauhaus-Architektur in Trier ihre Spuren hinterlassen hat.
Doris ist gleich an der Sprechanlage: »Erster Stock, rechts.«
Die beiden Frauen empfangen Walde in der Diele.
»Danke fürs Kommen«, sagt Doris. Sie kennt Walde von einigen Begegnungen und Feiern bei Jo und Marie. Sie haben bisher nur ein paar Worte miteinander gesprochen. Eine direkte Anrede scheut sie, um das Sie zu vermeiden.
»Erschrick’ nicht, es ist ein Notfall, bei Doris ist eingebrochen worden.« Marie führt Walde durch die Diele.
»Habt ihr es der Polizei gemeldet?«
»Ja, die haben schon alles aufgenommen, und die Versicherung war auch schon da«, berichtet Marie.
»Was war denn hier los?« Walde stellt im Wohnzimmer die Werkzeugkiste ab und schaut sich verblüfft um.
»Das hat der Sachverständige von der Versicherung auch gefragt«, seufzt Doris.
»Sind Fotos gemacht worden?« fragt Walde.
»Die Polizei hat welche gemacht, und der Sachverständige von der Versicherung hat auch fotografiert.«
Walde schaut sich um, untersucht die Steckdosen und wirft dann einen Blick in die anderen Räume.
»Das sieht nur auf den ersten Blick nach Vandalismus aus. Es scheint, als hätte hier jemand etwas gesucht, und zwar gründlich gesucht. Daß er dabei nicht zimperlich vorgegangen ist, ist eine andere Sache. Ich würde sicherheitshalber vor dem Aufräumen alles detailliert fotografieren.«
»Ich rufe Jo an, er soll die Kamera mitbringen, vielleicht erwische ich ihn noch. Er wollte noch Abendessen für Philipp machen und dann kommen«, sagt Marie und geht in die Diele.
»Wo willst du hin?«
»Zur Telefonzelle.«
»Ist nicht nötig, du kannst mein Handy benutzen.« Walde reicht Marie sein Telefon.
»Wo sind die Sicherungen?« fragt er Doris.
Sie geht in die Diele und zeigt ihm den Sicherungskasten.
»Ich drehe mal vorsichtshalber alle raus, hier liegen einige Strippen blank. Ein Wunder, daß die Katze noch keine gehuscht bekommen hat«, bemerkt Walde.
»Jo bringt Kamera und Blitz mit, er hat aber keine Filme mehr. Ich laufe schnell welche kaufen. Die Läden haben noch ein paar Minuten geöffnet.«
»Und ich brauche Gips«, sagt Walde.
»Wofür brauchst du den?«
»Um die Unterputzdosen wieder festzumachen.«
»Und wieviel?«
»Ein Kilo reicht.«
»Wo soll ich um diese Zeit noch Gips herkriegen?« fragt Marie.
»Geh’ du die Filme kaufen, ich laufe rüber zu Kalle ins Atelier. Der hat da genügend Gips«, sagt Doris und greift nach ihrer Tasche an der Garderobe. »Viel anbieten kann ich im Moment nicht. In der Küche steht eine Kiste Sprudel.«
»Ist okay, ich guck’, ob ich schon mal anfangen kann.« Walde fummelt am Sicherungskasten herum. Der Kasten ist heil geblieben. Die Wohnungstür fällt ins Schloß. Unterhalb der Sicherungen sind Schilder angebracht, auf denen die jeweils abgesicherten Zimmer bezeichnet sind. Er dreht die Sicherung für das Wohnzimmer ein und überprüft mit dem Spannungsmesser die Drähte an den Steckdosen. Es ist Spannung drauf. Er schraubt die Telefonanschlußdose zusammen, befestigt den Boden des Telefonapparates und steckt den Stecker ein. Nach dem Abnehmen des Hörers erklingt das Freizeichen. Die Zeitansage: »Beim nächsten Ton ist es 19 Uhr 56 Minuten und 10 Sekunden«. Für heute das erste Erfolgserlebnis. Er geht in die Diele zurück. Die Katze reibt sich an seinen Beinen. In der Küche riecht es trotz der weit geöffneten Fenstern abscheulich. Vorsichtig steigt er über die Abfallhaufen. Die eingebauten Elektrogeräte sind in Ordnung. An der Waschmaschine ist die Rückwand abmontiert. Unter den Spaghettis liegen Schrauben. Zwei fehlen. Eine passende findet er im Sammelsurium seiner Werkzeugkiste. Er schraubt das Gerät zusammen und schiebt es zurück an die Wand neben die Küchenzeile.
Das Telefon klingelt. »Bei Morgen, guten Abend!« Es meldet sich niemand. Walde wartet. Nach ein paar Sekunden wird am anderen Ende aufgelegt.
Walde kniet sich im Wohnzimmer auf den Teppich und sammelt Schrauben auf, die wohl von der Musikanlage stammen. Dann schaut er sich das Regal mit den CDs an.
Es sind einige dabei, die er gerne hören würde.
Die Korridortür wird
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