Akte X
so weit kommen können? Duane begriff das nicht. All diese Leute... und alle fürchteten sich so sehr vor ihm.
Das zweite Kungeln riß ihn aus seinen Gedanken. Sein Blick fiel auf das Telefon. Er nahm den Hörer ab.
»Ich habe es Ihnen ja gesagt«, sprach er in die Muschel, und danach fühlte er sich irgendwie besser. Er konnte nichts dafür. Es war nicht seine Schuld. Das alles war die Schuld der anderen, derer dort draußen. Nur die Schuld aller anderen...
Er stieß einen scharfen krächzenden Laut aus und brachte den Gedanken zum Verstummen. Die Stimme aus dem Telefon kam ihm vertraut vor. Wie hieß der Mann noch mal? Muldeer? »Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Duane?«
»Sie haben mir nicht geglaubt, nicht wahr?« Er spürte ein seltsames Machtgefühl in sich aufsteigen. Sie hatten ihm nicht geglaubt, und er hatte es ihnen gezeigt. Vielleicht würden sie ihm jetzt glauben. Was diese Situation betraf. Und die andere Sache...
»Ich glaube Ihnen«, versicherte Mulder. »Aber ich muß jetzt von Ihnen wissen, ob irgend jemand angeschossen worden ist.«
Angeschossen? fragte sich Duane. Habe ich auf irgend jemanden geschossen? Er betrachtete die Pistole in seiner Hand und schaute dann wieder auf. Dr. Hakkie hatte einen Teil seiner Selbstbeherrschung wiedergefunden. Er zog geräuschvoll die Nase hoch, hatte die Augen geöffnet und starrte Duane an. Offensichtlich fehlte ihm sonst nichts.
Duane schwenkte langsam den Kopf herum. Gwen hatte sich etwas zurückgelehnt, so daß ihr Körper den des Managers namens Bob nicht mehr verdeckte. Das Kinn des Mannes war auf seine Brust gesunken, seine Halbglatze glänzte unheimlich. Er hatte die Augen geschlossen und stöhnte leise vor sich hin, gab schwache unterdrückte Geräusche von sich, als wolle er laut schreien, fürchte sich aber davor.
Sein Bauch war ein einziger glitschiger, roter Fleck. Sein weißes Hemd war blutdurchtränkte. Gwen schien Duanes plötzliche Aufmerksamkeit zu spüren. Sie sah zu ihm auf und hob die Hände. Ihre Finger waren blutverschmiert.
Einen Moment lang starrte sie Duane hilflos an, dann wandte sie sich wieder Bob zu. »Ich brauche ein paar Handtücher, Kimberly. Kimberly...«
Aber Kimberly reagierte nicht. Ihre Lippen bebten, Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Sie bewegte sich nicht und ließ nicht erkennen, ob sie Gwen überhaupt gehört hatte.
Duane schnaubte laut. Das Geräusch ließ Gwen herumfahren. Sie beugte sich schützend über den Verletzten. Ihre Augen funkelten wild. »Er wird verbluten...«
Sie machte Anstalten aufzustehen, doch dann bemerkte sie Duanes versteinerten Gesichtsausdruck, sah die Pistole, die er immer noch locker in der ausgestreckten Hand hielt, dunkel, schwer und tödlich. Gwen sank resigniert zurück.
Duane griff erneut zu dem Telefon. Seine Stimme klang ruhig und völlig sachlich. »Ich schätze, wir brauchen einen Arzt.«
10 Einsatzquartier des FBI-Geiselbefreiungskommandos
Der Bote, ein junger Mann mit einem Pferdeschwanz, mehreren Ohrringen und flinken Augen, die jedes Detail registrierten, während er sich seinen Weg durch die angespannten und schwitzenden Agenten bahnte, stellte ein Paket ab. »Man hat mir gesagt, daß das für Sie ist«, erklärte er.
Als Mulder das braune Packpapier auseinanderriß, kam ein hellblaues Uniformhemd zum Vorschein. Ein Ärmel trug einen Aufnäher mit dem Abzeichen des medizinischen Notfalldienstes und der Aufschrift »Sanitäter«. Unter dem Hemd lag eine dunkle Uniformhose.
Mulder nickte, nahm seine Krawatte ab und begann, sein weißes Hemd aufzuknöpfen. Er registrierte den Blick des Boten, der ihn musterte.
»Werden Sie es wirklich tun?« fragte der junge Typ.
»Was tun?«
»Sie wissen schon, den Kerl erwischen. Ihn umlegen.«
Mulder hob die Augenbrauen. Lucy Kazdin tauchte hinter dem jungen Mann auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Hallo, Sie da«, sagte sie schroff. »Raus hier.«
Der Bote drehte sich zu ihr um und wollte protestieren, überlegte es sich aber anders, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. »Ja, Ma'am«, murmelte er und zog sich zurück.
»Ich hoffe, die Sachen passen«, bemerkte Kazdin. »Ich mußte die Größe schätzen.« Mulder hielt sich die Hose vor die Hüfte. »Sieht okay aus«, meinte er.
»Das Hemd?«
»Wenn es zu groß ist, stopfe ich es einfach in die Hose«, erwiderte er.
»Ich wollte, daß es etwas größer ausfällt. Sie werden natürlich eine kugelsichere Weste tragen.« »Oh, natürlich.«
Kazdin
Weitere Kostenlose Bücher