Akte X
Die normale raue, bräunliche Oberfläche des Knochens war an den Enden rund und glänzend. „Es sieht aus, als wären sie poliert worden“, murmelte er.
Scully zuckte zustimmend mit den Schultern und erklärte dann mit wenig Überzeugung: „Es könnte an der Erosion durch das Wasser liegen, aber...“
„... aber der Fluss hat keine nennenswerte Strömung“, führte Mulder den Gedanken weiter. „Außerdem würde sich diese Erosion nicht auf die Knochenenden beschränken.“
Ratlos fixierte Scully die kläglichen Überreste von George Kearns. „Irgendeine Idee?“ fragte sie matt, als Mulder ihr den Knochen zurückgab.
Tatsächlich war Mulder ein vager Gedanke gekommen, der den Zustand der Knochen erklären könnte. Doch selbst Scully wollte er nichts davon erzählen, solange er sich nicht ein wenig sicherer sein konnte. Er zog sein Funktelefon aus der Tasche und wählte eine Nummer.
„Vielleicht“, sagte er leise, verstört von seiner eigenen Idee, während es am anderen Ende läutete. Viel interessanter als ein Irrlicht, das waren seine Worte gewesen. Oh, ja, dachte er nun. Sehr viel interessanter.
Draußen im Gang vor der Leichenhalle goss sich Sheriff Arens einen Kaffee ein. Er versuchte es zumindest.
Die Ereignisse des Tages hatten ihn mitgenommen. Seine Hände zitterten, der Kaffee spritzte auf die Tischplatte, und Arens musste sich zusammenreißen, um die Glaskanne vorsichtig abzustellen. In seine sonst so freundliche Miene trat ein Ausdruck deutlicher Anspannung, als er sich vorbeugte, um die Kaffeeflecken zu entfernen.
Das letzte, was er in diesem Augenblick noch ertragen konnte, war der Anblick von Doris Kearns, die direkt auf ihn zustrebte.
Arens ging ihr einen Schritt weit entgegen. „Doris...“ setzte er an.
Einige Meter vor ihm blieb sie stehen, und ihre Hände flatterten aufgeregt auf und ab. Sie wird zusammenbrechen, schoss es Arens durch den Kopf, sie sieht aus, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
„Ist es wahr?“ fragte sie schließlich. Als Arens, der um Worte rang, nicht sofort antwortete, wurde ihre Stimme flehend. „Bitte sagen Sie es mir einfach.“
Arens konnte es ihr nicht ,einfach sagen’. Er hob die geöffneten Handflächen zu einer beruhigenden Geste in die Höhe. „Doris, bitte hören Sie mir zu...“
Aber Doris hörte nicht zu. Sie wusste instinktiv, was diese Antwort zu bedeuten hatte. „Sie haben ihn gefunden, nicht wahr?“ murmelte sie tonlos. Tief in ihrem Inneren brodelten ungeahnte Gefühle, doch noch hatte sie sich unter Kontrolle.
Noch immer zögerte Sheriff Arens mit seiner Antwort. „Wir haben heute nachmittag einige Leichenteile aus dem Fluss geholt, und...“ Arens seufzte. Er konnte es nicht länger aufschieben. „Georges Leichnam war auch dabei.“
Einige scheinbar endlose Sekunden vergingen, und dann wurde Doris Kearns von ihren Gefühlen überwältigt. Während sie zurückwich, schössen ihr die Tränen in die Augen, und in einem zwanghaften Reflex schüttelte sie immer wieder den Kopf.
„Nein...“ wimmerte sie.
„Es tut mir leid, Doris“, sagte Arens wenig hilfreich, während Doris’ Wimmern zu einem Schluchzen und schließlich zu einem Schrei anschwoll.
„Nein!“ schrie sie gellend. Sie wandte sich ab und stürzte davon.
„Doris!“ rief ihr Arens nach. „Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden uns um Sie kümmern! Doris...!“
Sie verschwand um die Ecke, und der Sheriff begriff, dass er sie nicht erreichen konnte. Plötzlich wirkten seine jungenhaften Züge müde und abgespannt, und um seine Augen lagen traurige Schatten. Er seufzte. Was war nur los mit dieser Stadt?
Der Verband ging ihm mehr und mehr auf die Nerven. Jedesmal wenn Jess Harold nickte, wenn er sich bewegte, wenn er den Telefonhörer ans Ohr nahm oder den Kopf wandte, um zu sehen, was hinter ihm vorging, kratzte, schabte und zerrte es an seiner Haut. Er war kurz davor, sich das Ding vom Hals zu reißen.
Statt dessen begnügte er sich damit, um die Ränder der weißen Mullbinde herum zu kratzen und seinen Kragen von der Wunde fortzuzerren.
Solange er im Werk war, störte ihn der Verband nicht sonderlich. Dort gab es so viel zu tun, und er musste an so vielen Orten gleichzeitig sein, dass ihm keine Zeit zum Ärgern blieb.
Doch wenn er allein war, änderte sich alles. Dann erinnerte ihn der Verband daran, was Paula ihm angetan hatte. Dann fragte er sich, was um alles in der Welt geschehen war, dass sie so vollständig außer Kontrolle geraten konnte.
Diese Frage
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