Akte X
doch wenn der Fahrer den Aufprall überlebt hatte, so konnte er in der Kabine zumindest atmen.
Mulder kletterte an der Seite des Lastwagens entlang, wobei er sich an den Käfigen festklammerte, um nicht in den Fluss zu fallen. Was ist bloß mit dem Wasser, fragte er sich unwillkürlich, als er einen Blick nach unten warf. Es sah rot und dickflüssig aus, und der Gestank, der von ihm ausging, war beinah unerträglich.
Endlich erreichte er die Fahrerkabine, doch als er durch die verschmierte Seitenscheibe blinzelte, erkannte er, dass es zu spät war. Der Fahrer war offensichtlich nicht angeschnallt gewesen. Sein Körper war es, der die Windschutzscheibe zerschmettert hatte, als der Truck auf dem Grund des stinkenden Wassers aufgeschlagen war. Der Mann war tot.
Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich die sonst so stille Landstraße in einen bunten Jahrmarkt heulender Sirenen und rotierender Signalleuchten. Polizeifahrzeuge, Ambulanz und ein Abschleppwagen, begleitet von einer ganzen Prozession aus Lieferfahrzeugen der Hühnerfarm, hatten sich am Unfallort eingefunden. Geleitet wurde die ganze Parade von Sheriff Arens.
Während die Werksmitarbeiter damit beschäftigt waren, die Käfige aus dem Unfallfahrzeug in die wartenden Lieferwagen umzuladen, wurde der Leichnam des Fahrers aus der Kabine befreit und in den Krankenwagen gebettet. Schließlich befestigte der Fahrer des Abschleppwagens eine schwere Kette an der hinteren Stoßstange des Trucks und begann mit röhrenden Motoren das verunglückte Fahrzeug aus dem Wasser zu ziehen.
Mulder beobachtete die Arbeiten, als Scully ihr Telefongespräch beendete und sich zu ihm gesellte.
„Ich habe gerade mit Dr. Randolph auf der Hühnerfarm gesprochen“, berichtete sie leise.
„Er hat mir erzählt, dass der Fahrer unter den gleichen Symptomen gelitten hat wie Paula Gray und George Kearns.“
Mit dieser Mitteilung hatte Mulder insgeheim gerechnet - der irre Ausdruck auf dem Gesicht des Lastwagenfahrers ging ihm nicht aus dem Sinn. „Dann denken Sie also, dass er das dritte Opfer der KreutzfeldJacob-Krankheit sein könnte?“ fragte er ebenso leise.
Scully nickte.
Sofort hakte Mulder nach: „Aber Sie haben mir doch gerade erzählt, dass schon zwei Fälle statistisch unmöglich sind.“
„Das wären sie...“ begann Scully. „Außer...“ Sie hielt inne, entschloss sich dann aber doch fortzufahren. „Mulder... mir ist da ein böser Gedanke gekommen.“
Sie fragte sich, ob sie sich das verschmitzte Zwinkern in Mulders Augen nur eingebildet hatte. Schließlich war es seine Spezialität, ungewöhnliche Theorien zu entwickeln - andererseits machte er stets den Eindruck, ein bisschen stolz auf sie zu sein, sobald sie sich auf dieses Terrain vorwagte. So auch dieses Mal. „Ooh“, sagte er, griff nach ihrem Arm und zog sie von den Deputysheriffs fort. „Ich höre.“
Nachdem sie die Straße ein Stück hinuntergegangen waren, versuchte Scully, ihre Gedanken in Worte zu fassen. „Erinnern Sie sich an die Futtermühle im Werk? Was ist, wenn jemand Kearns’ Leichnam da rein gesteckt hat?“
Mulder schüttelte den Kopf. Er konnte ihrer Logik noch nicht folgen. „Sie sagten, es wäre nicht ansteckend“, erinnerte er sie.
„Sie können sich nicht wie bei einer Grippe anstecken“, erklärte sie. „Sie wird nicht durch Viren übertragen - es ist eine Prionenkrankheit.“
„Und was bedeutet das?“
„Die Hühner könnten infiziert sein, wenn sie etwas von dem befallenen Gewebe gefressen haben.“ Sie schwieg einen Augenblick, ehe sie auf den Punkt kam. „Dann könnte jeder die Krankheit bekommen, der die Hühner isst.“
Mulder ließ die neue Information auf sich wirken. Auf diese Weise könnte es tatsächlich zu der auffälligen Häufung der Fälle gekommen sein. „Dann wäre jeder Mensch in Gefahr, der Hühner aus Dudley isst, richtig?“
Scully nickte widerwillig. Es fiel ihr schwer, sich mit ihrer eigenen Theorie anzufreunden. „Das ist möglich. In England hat man schon ganze Rinderherden getötet und verbrannt, nur um zu verhindern, dass Menschen von Rinderwahn befallen werden können.“
Nachdenklich schürzte Mulder die Lippen. Die Idee war zwar nicht dumm, doch sie ging nicht auf. „Scully, Hühner aus Dudley werden im ganzen Land verkauft. Wenn Sie mit Ihrer Vermutung recht hätten, dann hätten wir es mit einer Epidemie zu tun und nicht mit ein paar Einzelfällen.“
Genau davor hatte Scully Angst. Sie war sogar bereit gewesen, das staatliche
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