Akte X
vorstellen.«
Mulder antwortete nicht. Er brauchte keine Erklärungen. Scully konnte diese Fundstücke bis auf ihre Molekularstruktur zerlegen und sie stundenlang unter einem Elektronenmikroskop betrachten, konnte sie in ein Säurebad legen, messen und wiegen. Sie konnte sie jeder nur denkbaren wissenschaftlichen Behandlung unterziehen - es würde doch keinen Unterschied machen. Für Mulder lag die Erklärung in den Objekten selbst. Ihre Bedeutung war beängstigend, grauenvoll und so überraschend wie ihr Erscheinen.
Schaudernd wandte Mulder sich ab. Scully blieb zurück und starrte voller Unbehagen auf die beiden rasiermesserscharfen, gekreuzten Hauer.
Kapitel 29
Scully lehnte sich an die Absperrkette und schloß die Augen. Selbst mit geschlossenen Lidern entgingen ihr die Lichter nicht: eine endlose Kette flackernder roter und blauer Lampen, ein umgestürzter Christbaum, der sich fünfzig Meter weit über die abgeriegelte Rollbahn erstreckte. Obwohl die Sirenen wegen der späten Stunde und der Nähe zur Abfertigungshalle abgeschaltet waren, war die nächtliche Luft von Geräuschen erfüllt, dem Motorenrasseln der dieselbetriebenen Krankenfahrzeuge, den Rufen des medizinischen Personals, dem schrillen Kreischen der Rolltragen auf dem Asphalt.
»Sieht aus wie eine makabre Zirkusvorstellung«, bemerkte Mulder, der wenige Schritte von ihr entfernt stand. Auch er lehnte sich an die Kette, und sein bandagierter rechter Arm ruhte in einer Schlaufe vor seiner Brust. Zwei Pflasterstreifen bedeckten die Schnittwunde auf seiner Wange, sein linker Unterarm steckte in einem Verband, und unter seinen Augen lagen tiefdunkle Ringe. Die Belastung des zwanzigstündigen Flugs und der anschließenden, zehnstündigen Einsatzbesprechung in der FBI-Zentrale zeigte sich deutlich in seiner gebeugten Haltung. »Aus dieser Entfernung scheinen es weit mehr als nur fünfundzwanzig Krankenwagen zu sein.«
Scully öffnete die Augen und beobachtete das Farbenspiel der Lichter auf Mulders zerschlagenem Gesicht, während sie sich gleichzeitig fragte, ob sie ebenso erschöpft aussah. Noch immer erinnerte ihr Kinn sie schmerzhaft an Tiens Handrücken, und die Erschöpfung trübte ihr Sehvermögen. Im Flugzeug hatte sie sich ein kurzes Nickerchen gegönnt, ehe sie in ihrem Appartement geduscht hatte und in neue Kleider geschlüpft war, trotzdem wusste sie, dass sie mindestens eine Woche brauchen würde, um sich von diesem Fall zu erholen. Die vielen offenen Fragen waren dabei nicht gerade hilfreich, selbst wenn Mulder und sie mit diesem Ausgang einer Untersuchung nur allzu vertraut waren.
Mit dem Handrücken rieb sie sich über die Augen und hoffte, wieder klar sehen zu können. Etwa hundert Meter entfernt, hinter den Ambulanzfahrzeugen, konnte sie gerade noch die Boeing 727 auf der Landebahn erkennen. Ein Dutzend starker Scheinwerfer umgab den gewölbten Rumpf des Flugzeugs und tauchte die militärischen Markierungen an Heck und Tragflächen in helles Licht. Sowohl die vorderen als auch die hinteren Luken der Maschine waren offen. Medizinisches Personal in hellblauer Uniform huschte zwischen grell-orangefarbenen Gabelstaplern hin und her, und Scully verfolgte, wie einer der Wagen langsam zwei Tragen aus der vorderen Luke zum Boden herabsenkte, die gleich darauf von Sanitätern in eines der wartenden Ambulanzfahrzeuge geladen wurden. Schon im nächsten Moment glitt die Gabel wieder hinauf zur Luke, um die nächsten Tragen aufzunehmen.
Nach Skinners Schätzung würde es nur zwei Stunden dauern, die Patienten aus dem Spezialflugzeug auszuladen. Die Kosten für den Transport der fünfundzwanzig Brandopfer - und für die jahrelange Pflege, derer sie nun bedurften - trug der Steuerzahler. Ein Militärkrankenhaus in Maryland war bereits mit den notwendigen Lebenserhaltungssystemen nebst einem Stab frisch eingestellter Krankenschwestern ausgestattet worden.
Offen gestanden, war Scully ziemlich überrascht gewesen, dass sich das Militär der Angelegenheit so rasch angenommen hatte: Die ersten Aufklärungstruppen waren
kaum ein paar Stunden, nachdem sie und Mulder ihre Meldung nach Washington durchgegeben hatten, in Al-kut aufgetaucht. Angeführt von Timothy Van Epps hatten drei Marine-Einheiten die Einrichtung in Windeseile aufgelöst und für den Abtransport vorbereitet. In der Zwischenzeit hatte Skinner in Washington die offiziellen Wege beschriften, um die weitere Untersuchung und die konzertierte Handhabung der Situation in die Wege zu
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