Akte X
über die ermordete Krankenschwester«, entgegnete Scully. »Offensichtlich hat sich da ein Fehler eingeschlichen.«
Mulder wartete schweigend, während Scully den Bericht zu Ende las. Schließlich blickte sie von den Papieren in ihren Händen auf. »Dem Autopsiebericht zufolge wurde Teri Nestors Schädel mit der Schubkraft zweier Fahrzeuge bei einer Geschwindigkeit von mehr als dreißig Meilen in der Stunde zertrümmert.«
Mulder fühlte, wie ein kalter Schauer über seinen Rücken kroch. Trotz Scullys Vorbehalten konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie jetzt noch nicht nach Washington zurückfahren würden.
Kapitel 3
Zwei Stunden später erblickte Dana Scully ihr eigenes Spiegelbild an der stählernen Tür eines mit Teppich ausgelegten Fahrstuhls, während eine Leuchtschrift über ihrem Kopf die Stockwerke zählte. Mulder stand links neben ihr und betastete mit der rechten Hand sein Kinn, während sein Fuß auf dem Boden des Fahrstuhls einen ungleichmäßigen Rhythmus pochte. Hinter ihm lehnte sich ein Medizinstudent in einem blaugrünen OP-Kittel müde an die rückwärtige Wand, die Augen vor Erschöpfung halb geschlossen. Scully wusste genau, wie er sich fühlen musste. Die ganze Welt tanzt auf deinen Schultern, und dabei willst du weiter nichts als schlafen.
Sie warf Mulder einen kurzen Blick zu und erkannte die Energie, die von seinen Zügen ausstrahlte, und das Leuchten in seinen haselnußbraunen Augen. Das Stehvermögen ihres Partners versetzte Scully in Erstaunen. Es war schon beinahe Mitternacht, und sie waren beide bereits seit sechs Uhr morgens auf den Beinen. Scully fühlte sich, als müßte sie jeden Augenblick zusammenbrechen, und sie war nicht vor weniger als acht Stunden von einer Schaufel im Gesicht getroffen worden.
Andererseits wusste sie, wie Mulders Gehirn arbeitete. In dem Augenblick, in dem er seine Aufmerksamkeit auf diese potentielle X-Akte konzentriert hatte, war alles andere unwichtig geworden. Während der langen Fahrt nach Manhattan hatte er kaum von etwas anderem gesprochen, und Scully hatte sich gezwungen gesehen, die Weiterführung der Akte über den Drogenverteilerring von Sanchez auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, zumindest vorläufig. Ganz im stillen bezweifelte sie, dass sie und Mulder sich länger als für ein paar Tage in Manhattan aufhalten würden. Die Autopsiebefunde in dem Mordfall Teri Nestor waren zwar alarmierend, aber Scully hegte nicht den mindesten Zweifel daran, dass sich eine ganz schlichte, rationale Erklärung dafür finden würde.
»Wahre Wunder der Gewalt«, sagte Mulder plötzlich, womit er eine unterbrochene Unterhaltung wieder aufnahm, die im Hinterland von New York ihren Anfang genommen hatte. »Interessante Wortwahl, Scully. Glauben Sie, dass Perry Stanton Wunder bewirkt?«
»Das war lediglich eine Metapher«, entgegnete Scully mit leiser Stimme, darauf bedacht zu vermeiden, dass der Student auf der Rückseite des Fahrstuhls ihr Gespräch mitanhören konnte. »Ich wollte damit nur sagen, dass der menschliche Körper zu erstaunlichen Kraftakten fähig ist. Sie haben sicher die Geschichten über Mütter gehört, die ganz allein ein Auto anheben, um ihre Kinder zu retten, oder die Karatekämpfer, die Ziegelsteine mit bloßen Händen zerbrechen. Das hat mit Magie nichts zu tun. Tatsächlich handelt es sich um ein rein physikalisches Prinzip. Aufschlagwinkel, Hebelkraft, Geschwindigkeit. Mit der richtigen Geschwindigkeit könnte sogar ein Wassertropfen einen Ziegelstein zerschmettern.«
»Oder einen Schädel?« fragte Mulder, als der Fahrstuhl langsamer wurde und hielt.
Scully zuckte die Schultern. Über dieses Problem hatte sie während der letzten Stunden immer wieder nachgedacht. Ihr ursprüngliches Entsetzen angesichts der Einzelheiten des Stanton-Falles hatte sich gelegt, und sie hatte längst begonnen, die Situation auf wissenschaftlichen Grundlagen zu analysieren. »Perry Stanton ist signifikant größer als ein Wassertropfen. Der Autopsiebericht allein ist nicht schlüssig. Ich weiß nicht, wie ihr Kopf mit derartiger Gewalt zertrümmert wurde, aber ich weiß, dass es eine physikalische Erklärung dafür gibt.«
Ehe Mulder Gelegenheit zu einer Antwort erhielt, öffnete sich die Fahrstuhltür, und Scully trat hinaus in den langen, von weißglänzenden Wänden gesäumten Korridor. Mulder folgte ihr mit kurzem Abstand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Physik hat Teri Nestor nicht getötet, genauso wenig wie ein
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