Akte X
plötzlich sehr. Es schien, als würde Liftons Zustand sich vor seinen Augen rapide verschlechtern. Während der Student den bloßgelegten Leichnam mit zitternden Händen wieder verpackte, hoffte Mulder, dass Scully den anderen Medizinstudenten rechtzeitig gefunden hatte.
»Mr. Kemper! Mr. Josh Kemper!« Scullys Stimme hallte von der schweren Appartementtür zurück. »Ich bin Agent Dana Scully vom FBI! Der Hausverwalter steht neben mir, und wenn Sie die Tür nicht öffnen, werde ich hereinkommen!«
Scully fühlte das Pochen ihres Herzens, während sie auf eine Antwort wartete. Sie blickte den kleingewachsenen, stämmigen Mann mit dem über die Hose hängenden grauen T-Shirt an, der neben ihr stand, und nickte dann. Mitch Butler durchstöberte den übergroßen Schlüsselring, der die Schlüssel zu sämtlichen Appartements enthielt. Innerlich fluchend beobachtete Scully, wie die Stummelfinger des Hausverwalters sich um den richtigen Schlüssel bemühten. Das dauerte viel zu lang.
Scully hatte bereits ein Ambulanzfahrzeug gerufen, als sie bei den Appartements der Columbia-Universität eingetroffen war und Josh Kemper nicht auf ihr Klopfen reagiert hatte, doch sie wusste, dass noch weitere Minuten vergehen würden, ehe ein Krankenwagen eintreffen würde. Sie hatte so oder so schon wertvolle Zeit verloren, als sie den schmuddeligen Hausverwalter aus seinem Appartement im ersten Stock gezerrt hatte; der Weg zurück in die vierte Etage hatte sich dann als unerträglich zeitraubend erwiesen.
»Da ist er ja«, erklärte Butler schließlich, einen kupferfarbenen Schlüssel zwischen den dicken Fingern. »Appartement Vier-zwölf.«
Scully nahm ihm den Schlüssel aus der Hand und fing an, das Schloß zu bearbeiten. Die Tür öffnete sich und sie stürzte in das Zimmer hinein. »Mr. Kemper? Josh?«
Das Wohnzimmer war klein und beinahe frei von Mobiliar. In einer Ecke befand sich eine graue Couch gegenüber einem kleinen Fernsehgerät, das auf einem Pappkarton stand. Das Bild zweier Hunde im Smoking nahm den größten Teil der gegenüberliegenden Wand ein, während der Fußboden bis zum letzten Quadratzentimeter mit schmutziger Wäsche bedeckt war. Scully erinnerte sich an ihr eigenes Studium, als selbst eine einzige Stunde für die Wäscherei ein Geschenk des Himmels gewesen war. Damals war sie beinahe noch ein Kind gewesen, das unbeholfen zu überleben versucht, so wie Josh Kemper.
»Wie viele Zimmer?« rief sie dem Hausverwalter zu, der, noch immer völlig außer Atem von dem zurückliegenden Treppenaufstieg, an der Türschwelle verharrte.
»Nur dieses, die Küche und das Schlafzimmer. Dort durch die Tür.«
Scully lief auf die offene Tür auf der anderen Seite des Wohnzimmers zu. Dann durchquerte sie einen kleinen Flur und fand sich selbst in einer winzigen Küche wieder: Fliesen auf dem Boden, der Putz an den Wänden eingerissen und eine Lampenfassung, die weit älter aussah als der elektrische Strom, mit dem sie betrieben wurde. Auf einem kleinen Holztisch vor dem Kühlschrank stand eine offene Tüte mit Orangensaft. Sonst gab es keine Lebenszeichen. Hastig durchquerte Scully die Küche und trat durch eine weitere, offene Tür.
Beinahe wäre sie über einen Stapel Bettzeug gefallen. Im letzten Moment konnte sie den drohenden Sturz mit Hilfe des großen, hölzernen Kleiderschrankes abfangen. In der Mitte des Raumes lag eine kahle Matratze, auf der sich medizinische Schriften und wissenschaftliche Zeitschriften stapelten, doch von Josh Kemper war weit und breit nichts zu sehen.
»Das Bad«, brüllte sie über ihre Schulter hinweg. »Wo ist das Badezimmer?«
»Hinter dem Schlafzimmer.«
Fluchend starrte sie in das Durcheinander, bis sie schließlich eine geschlossene Tür auf der anderen Seite des Kleiderschrankes entdeckte, die teilweise hinter einem Vorhang aus bunten Perlen verschwand. Sie schob die Perlenstränge zur Seite und riß die Tür auf.
Dort fand sie ihn. Mit unbekleidetem Oberkörper lag er mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, einen Arm um den Fuß des Toilettenbeckens geschlungen, den anderen in sonderbarem Winkel hinter den Rücken gedreht. Scully fiel auf die Knie und legte ihre Hand an seinen Hals. Kein Puls. Seine Haut fühlte sich unter ihren Fingern warm an, wirkte aber wächsern und hatte sich blaugrau verfärbt. Es gab keinen Zweifel - Josh Kemper war tot. Vorsichtig löste sie seinen Arm von dem Toilettenfuß, wobei ihr auffiel, dass seine Gelenke keine Anzeichen für
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