Akte X
immer undeutlicher wurde.
Ein paar Meter vor der absoluten Dunkelheit erreichte er eine zweite, mit einem fransigen Tuch verhängte Tür. Suchend tastete Mulder über den Stoff, konnte jedoch keinen Griff finden. Der Stoff fühlte sich seltsam warm an, so dass Mulder ein offenes Feuer auf der anderen Seite der Tür vermutete. Er legte beide Hände gegen das dünne Tuch und drückte.
Die Tür schwang auf, und plötzliche Hitze schlug ihm entgegen. Der stechende Geruch von brennendem Öl stieg ihm in die Nase und trieb ihm die Tränen in die Augen. Hustend und blinzelnd tat er einige Schritte vorwärts. Als sich seine Pupillen an den flackernden Feuerschein gewöhnt hatten, erkannte Mulder, dass er sich in einer runden inneren Kammer mit einem polierten Steinboden und hohen, nackten Steinwänden befand. In der Mitte der Kammer, etwa zehn Meter von ihm entfernt, stand ein uralter Lehmaltar mit einem breiten, rechteckigen Sockel. Aus einer rotglühenden Stahlschüssel, die mit einer brennbaren, pechschwarzen Flüssigkeit gefüllt war, züngelten helle Flammen empor und tauchten die riesige Statue aus schwarzem Stein, die direkt hinter dem Feuer stand, in ein waberndes, tanzendes, lebendiges Leuchten. Die Statue stellte ein Wesen dar, wie es Mulder noch nie zuvor gesehen hatte.
»Gin-Korng-Pew«, flüsterte er, während sein Blick hinauf zum Gesicht des Steinungeheuers wanderte. Die schwarze Statue hatte die lange, gefurchte Schnauze eines hungrigen Wolfes; die Lefzen waren zurückgezogen und legten mehrere Reihen rasiermesserscharfer Zähne frei. Zwei anderthalb Meter lange gebogene Stoßzähne wuchsen aus dem Unterkiefer der Kreatur und kreuzten sich dicht unter ihren geblähten Nüstern. Ihre Augen waren riesig und hatten hellrote Spiralen, wo Mulder schwarze Pupillen erwartet hatte. Hunderte von spaghettidünnen Tentakeln wuchsen aus ihrem Kopf, von denen jede in einer einzelnen gebogenen Kralle endete. Das Wesen war ein zu Stein gewordener Alptraum - und es löste eine urtümliche Angst in Mulder aus, die er sich nicht erklären konnte. Obwohl er wusste, dass der Skin Eater nur eine Statue war, verspürte er den kindlichen Drang, sich umzudrehen und davonzurennen. Gleichzeitig schienen seine Muskeln wie gelähmt zu sein, so dass er sich noch nicht einmal abwenden konnte.
»Jede Kultur hat ihre eigenen Ungeheuer«, drang plötzlich eine Stimme an seine Ohren. »Aber sie entstammen alle derselben Seele.«
Mulder fuhr herum und bemerkte, dass die gegenüberliegende Wand der Kammer von dunklen, direkt in den nackten Stein gehauenen Nischen gesäumt war. Jede Einbuchtung war mindestens anderthalb Meter hoch, und es war unmöglich festzustellen, wie tief sie in die Mauer reichte. Während Mulder sich umschaute, trat eine gebeugte Gestalt aus der mittleren Nische. Der Mann trug eine hellrote Mönchsrobe, die um seine Schulter verknotet war, und sein kahler Kopf glänzte im Feuerschein. Er sah Mulder an - und Mulder wurde klar, dass er das Gesicht des Mönches kannte.
Es war der alte Mann, der sie bei ihrer Ankunft beobachtet hatte. Der Greis mit den vielen Amuletten, der am Straßenrand gestanden und gelächelt hatte, als würde er sie erwarten.
Mehrere Herzschläge lang starrte Mulder den Mann wie betäubt an. Der alte Mönch bemerkte seinen Gesichtsausdruck und lachte. »Vor wem haben Sie mehr Angst? Vor der Statue oder vor mir?«
Mulder schluckte und rang um seine Fassung. Scully würde es natürlich für einen Zufall halten. Der alte Mann war zufällig ein Mitglied des Skin Eater-Kults, er hatte zufällig bei ihrer Ankunft in Alkut am Straßenrand gestanden, und das war weder mysteriös, noch hatte es irgend etwas mit Magie zu tun.
Doch wenn es etwas gab, dem Mulder zu mißtrauen gründlich gelernt hatte, dann waren es Zufälle. Er räusperte sich. »Sie sprechen Englisch.«
»Ich habe drei Jahre an der Universität von Bangkok gelehrt. Wie Sie sich vielleicht denken können, war ich Dozent für Theologie. Mein Name ist Ganon.«
»Und das ist der Skin Eater?« Mulder deutete auf die Statue hinter dem flammenumzüngelten Altar.
Ganon schwieg, während er Mulder durchdringend musterte. »Kein lebender Mensch hat Gin-Korng-Pew je gesehen. Diese Statue basiert auf einer alten Zeichnung, die in einer Höhle unweit von diesem Tempel gefunden wurde. Vielleicht ist es das Ungeheuer. . . vielleicht ist es nur ein zu poliertem Stein geronnenes Märchen.«
Als Ganon eine knappe Handbewegung machte, trat ein
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