Akte X
hellgrünen Gras hervorschauten. Die Luft war von Blutenstaub gesättigt, und Mulders Kehle brannte, als er sich neben seine Partnerin setzte. Erschöpft fuhr er sich mit beiden Händen durch das nasse Haar und warf dann einen beiläufigen Blick über die Schulter zum Eingang des Rathauses. Über der hohen Doppeltür sah er zwei Fensterreihen mit geschlossenen Läden und unter dem Strohdach eine eiserne Regenrinne wie jene, die das Dach der Klinik umgab.
Auf dem Rückweg vom Tempel hatte Mulder den allgegenwärtigen Regen einfach vergessen. Seine Gedanken waren noch immer mit Ganon und dem Skin Eater beschäftigt: Wenn er die Augen schloß, konnte er das Gesicht der Kreatur deutlich vor sich sehen, die wolfsähnliche Schnauze, die gekreuzten Stoßzähne, die klauenbewehrten Tentakeln.
Schließlich blickte Scully von ihrem Ordner auf und bemerkte seinen Gesichtsausdruck. »Sie sehen aus, als wären Sie einem Gespenst begegnet.«
Mulder lächelte. »Vielleicht bin ich das auch. Wie verlief Ihr Besuch bei David Kuo? Irgend etwas Interessantes?«
»Er weiß nicht, wo sich Andrew aufhält«, seufzte Scully. »Er war Emile Paladins Anwalt - aber nur formell. Er hatte nach dem Krieg nur wenig Kontakt mit dem
Mann und so gut wie keinen Kontakt mit seinem Bruder. «
»Und was befindet sich in dem Ordner?«
Scully trommelte einen kleinen Wirbel auf die verschlissene Pappe. »Kuo hat ihn für mich aus dem Rathausarchiv geholt. Es ist die gerichtsmedizinische Akte von Emile Paladins Autopsie. Und bevor Sie mir von Ihrem Gespenst erzählen - Emile Paladin starb an einem gebrochenen Genick. Der Pathologe schätzte, dass er mindestens zwanzig Meter in die Tiefe gestürzt sein muss.«
Mulders Miene zeigte keine Reaktion. Er beugte sich über den Treppenrand, pflückte eine gelbe Blume aus dem Beet und ließ sie sacht durch seine Hand gleiten. Die Blütenblätter waren fast so lang wie seine Finger. »Und was ist mit seiner Haut? Oder mit seiner fehlenden Haut?«
»Auch das ist kein großes Mysterium. Seine Leiche wurde von drei verschiedenen Raubtieren verstümmelt, die durch ihre Zahnabdrücke mühelos identifiziert werden konnten. Zwei Arten Wölfe und ein Berglöwe.«
Mulder nickte gedankenverloren, während er eins der Blütenblätter abriß. Er hatte gar nicht erwartet, dass der Autopsiebericht Stoßzähne und klauenbewehrte Tentakeln erwähnen würde. So einfach ist es nie. «Klingt so, als hätte Paladin ein nettes Picknick abgegeben.«
»Die Leiche war derart verstümmelt, dass sie nur durch ihre Zähne identifiziert werden konnte. An zwei Zähnen, um genau zu sein - ein linker vorderer Schneidezahn und ein rechter Eckzahn. Doch es gab keine Zweifel. . . es war Paladin. Dem Bericht zufolge hat Andrew die Leiche ein paar Tage nach der Autopsie einäschern lassen.«
Einäschern. Mulder lehnte sich gegen die Stufen und bewegte den Kopf, um seine Nackenmuskulatur zu lockern. Ostenativ verdrehte Scully die Augen. »Mulder, die Leiche wurde nach der Autopsie eingeäschert, nicht vorher. Daran ist ganz und gar nicht Mysteriöses. Emile Paladin starb beim Wandern in den Bergen.«
Als Mulder nichts erwiderte, stieß Scully frustriert die Luft aus. »Es ist ein Mythos, Mulder. Ein Märchen. Und es hat nichts mit unserem Fall zu tun. Perry Stantons Haut wurde von keinem Ungeheuer gefressen. Und das Gleiche gilt für Emile Paladin.«
Mulder nickte und ließ die gelbe Blume fallen. Trotz dieser berechtigten Einwände hielt er noch immer an dem Gedanken fest, dass der Skin Eater irgend etwas mit der Sache zu tun hatte. Er dachte an die Worte Ganons, dass Haut die Kraftquelle des Skin Eaters sei - sie paßten nur zu gut zu seiner eigenen Theorie über Stantons Unverwundbarkeit und seine unglaublichen körperlichen Leistungen. Und dann die verblüffende zeitliche Übereinstimmung: Der Skin Eater war hungrig erwacht, als die MASH-Einheit und Emile Paladin in Alkut stationiert wurden. Eine solche Koinzidenz ließ sich unmöglich ignorieren.
Mulder hüstelte. »Ich meine nur, dass wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen sollten.«
»Mulder«, begann Scully, doch ängstliche Rufe ließen sie verstummen. Sie wandte den Kopf und sah zwei Mönche in orangenen Roben auf sie zulaufen. Ihre Gesichter verrieten blankes Entsetzen, und Mulder bemerkte, dass beide Männer Latexhandschuhe trugen. Dann erinnerte er sich an sie: Es waren die beiden Mönche aus der Klinik.
»Schnell!« schrie der größere von ihnen. »Bitte!
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