Akte X
Militärhose; seine Augen hatten einen seltsamen Ausdruck, und seine Pupillen waren so extrem geweitet, dass Scully annahm, dass er unter Drogen stand - oder Tranquilizer oder Neuroleptika zu sich genommen hatte.
Mit traumwandlerischer Sicherheit trat der Mann ins Zimmer. Scully verfolgte, wie er etwas aus der rechten Hosentasche zog: eine Spritze mit einer sieben Zentimeter langen Nadel. Das Blut rauschte in ihren Ohren, während sie ihren Rücken sprungbereit gegen den Schreibtisch drückte.
»Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte sie so energisch wie möglich. »Ich bin US-Bundesagentin.«
Doch der Fremde schien sie nicht zu hören. Er machte einen weiteren festen Schritt, die trüben Augen auf ihr Gesicht gerichtet. Trotz seines leeren Gesichtsausdrucks waren seine Bewegungen geschmeidig. Scully dachte an ihre ein paar Meter entfernt liegende Waffe - und erkannte, dass er sie früher erreichen würde als sie die Pistole. Auf der Suche nach einem möglichen Ersatz irrte ihr Blick durch das Zimmer und verharrte schließlich bei der brusthohen Lampe, die neben dem Schreibtisch stand. Sie sah schwer genug aus, um einigen Schaden anzurichten, und sie befand sich in direkter Griffweite.
Der Mann trat noch einen Schritt näher. Mechanisch hob er die Spritze und schüttelte sie, bis ein Tropfen aus der Nadel quoll. Während sich Scully näher an die Lampe heranschob, hielt sie die Augen starr auf die Nadel gerichtet. Sie konnte das Herz in ihrer Brust hämmern hören und atmete einmal tief durch, um die aufkommende Panik zu vertreiben.
Als der Mann einen weiteren Schritt machte, warf sie sich abrupt zur Seite und packte den Lampenständer oberhalb des Metallfußes. Ohne zu zögern, holte sie mit der improvisierten Waffe aus und zielte nach der erhobenen Hand des Fremden. Der Ziegenhautschirm flog zur Seite und enthüllte eine nackte Glühbirne und einige freiliegende Drähte. Ein Lichtblitz flammte auf, als die Birne mit voller Wucht auf die Spritze traf. Dann flogen Funken durch die Luft, während die Stahlspritze einen kurzen Kontakt mit der Lampenfassung hatte.
Scully ließ die Lampe fallen, stürzte zum Nachttisch und hatte ihn schon fast erreicht, als ihr bewusst wurde, dass der Mann ihr nicht nachsetzte. Sie fuhr herum und sah, wie er sich verkrampfte und taumelte, während die noch immer funkenschlagende Lampe vor ihm auf dem Boden lag und ein dünner Rauchkringel von der Spritze in seiner Hand aufstieg wie die groteske Parodie einer Zigarettenspitze. Dann gaben seine Beine nach, und er brach mit einem dumpfen Röcheln in die Knie.
Verblüfft starrte Scully auf das Schauspiel. Die Nadel hatte die Glühbirnenfassung nur den Bruchteil einer Sekunde berührt, und der Stromschlag mochte stark genug gewesen sein, um ihn vorübergehend zu betäuben -aber nicht, um ihm ernsthaften Schaden zuzufügen. Scully nahm ihre Waffe vom Nachttisch und trat vorsichtig auf den Fremden zu, wobei sie den Lauf auf seinen Kopf gerichtet hielt. Seine Arme waren auf unnatürliche Weise hinter seinem Rücken verdreht, seine Augen weit aufgerissen. Sein Kopf lag auf der Seite, und Scully bemerkte einen roten Ausschlag in seinem Nacken. Blut schoß ihr in die Wangen, als ihr einfiel, dass Perry Stanton und John Doe ein ähnliches Mal gehabt hatten.
Einen Schritt vor dem reglosen Mann blieb sie stehen und kniete nieder. Während sie die Waffe weiter auf ihn gerichtet hielt, streckte sie eine Hand aus und fühlte seinen Puls.
Nichts. Scully packte die Schulter des Mannes und rollte ihn auf den Rücken. Seine Brust bewegte sich nicht, seine Augen zeigten nur ekstatisches Weiß. Nach einem Moment des Zögerns steckte Scully ihre Waffe in den Hosenbund, preßte beide Hände auf die muskulöse Brust des Mannes und begann eine kräftige Herzmassage.
Ein paar Minuten später erkannte sie, dass es keinen Zweck hatte. Der Mann war tot - wie Perry Stanton war er das Opfer eines relativ schwachen Stromschlags geworden. Leicht fassungslos schüttelte Scully den Kopf. Obwohl es möglich war, dass die elektrische Entladung einer Lampe einen Herzstillstand auslöste, war es doch eine eher unwahrscheinliche Reaktion, die erst recht nicht bei einem durchtrainierten jungen Mann zu erwarten war.
Erneut wanderte Scullys Blick zu dem unauffälligen Ausschlag im Nacken des Toten. Sie sah, dass das Mal aus Tausenden von winzigen roten Flecken bestand, die ein kreisförmiges Muster bildeten. Wie bei Perry Stanton und dem verschollenen John Doe. Und alle drei
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