Akte X
genaue Lage der Linien festzustellen, und ignorierte den feinen Stich, als der Moskito die Gunst des Augenblicks nutzte. Scullys Gedanken arbeiteten fieberhaft, während sie das freie Stück Karte zwischen der Klinik und den drei dicken blauen Linien mit der Fingerkuppe nachzeichnete. Plötzlich blickte sie auf.
Sie spähte zu dem heruntergekommenen Gebäude auf der anderen Straßenseite hinüber. Dann wanderten ihre Augen zu der Plastikfolie, die in einem zerknautschten Haufen neben dem Eingang lag. Sie konnte sich noch genau erinnern, dass die Tür bei ihrer Ankunft in Alkut mit der Folie abgedichtet gewesen war, denn vor allem deshalb hatte sie angenommen, dass die Kirche nicht mehr benutzt würde.
Wieder betrachtete sie den Plan, ohne den gesättigten Moskito zu beachten, der von ihrem Nacken aufstieg und an ihrem Gesicht vorbeisummte. Der Plan ergab keinen Sinn - oder sie und Mulder hatten an der falschen Stelle gesucht oder. . . Die Erkenntnis traf Scully wie ein Blitz. Sie sprang auf.
Wenn sie den Plan richtig gelesen hatte, dann führten drei Hauptstromleitungen in die leerstehende Kirche auf der anderen Straßenseite.
Kapitel 24
Mulders Kehle war wie zugeschnürt. Nach Luft schnappend, ruckte er hoch. Ein Pulsieren marterte seinen Schädel, und er schüttelte verzweifelt den Kopf, um das nervzerrende Klingeln in seinen Ohren loszuwerden. Dann öffneten sich seine Augen - und die Erinnerung packte ihn gleichzeitig mit dem grellen Schein der Neonröhren.
Noch immer lag er auf der gleichen Trage in demselben unterirdischen Raum, doch er war nicht mehr festgeschnallt. Der Vorhang war zurückgezogen worden, und von dem blauäugigen Mann und Julian Kyle war nichts mehr zu sehen. Soweit Mulder erkennen konnte, war er allein im Zimmer. Überrascht stellte er fest, dass man ihn ausgezogen hatte - er trug nur noch einen weißen Krankenhauskittel, und aus seinem rechten Arm ragte ein dünner Kunststoff schlauch heraus. Mit geweiteten Augen verfolgte er den Schlauch zu der Flasche mit der gelblichen Flüssigkeit, die an einem Infusionsflaschenständer direkt hinter seinem Kopf hing.
Ohne nachzudenken packte er die Kanüle und riß sie aus seinem Arm. Winzige Blutstropfen spritzten auf sein Handgelenk, und er beeilte sich, die Wunde abzupressen, wobei er den heftigen Schmerz mit einem Fluch zur Kenntnis nahm. Während er die gelbliche Flüssigkeit anstarrte, die nun auf den Boden rann, begann er am ganzen Körper zu zittern. Ein sonderbares, schleichendes Gefühl bewegte sich über sein linkes Bein. Würmer, schoß es Mulder durch den Kopf, ich habe Würmer im Bein.
Er biss die Zähne zusammen und schob den Kittel zur Seite. Aus seiner Wade ragte ein ganzes Dutzend übergroßer Heftklammern hervor, die sich bis zu seiner Achillessehne hinabzogen. Zu seiner Überraschung war der gelbe Streifen unter den Klammern zu einer harten Masse eingetrocknet, die seine Haut kaum berührte. Rasch ergriff Mulder den zusammengeschrumpften Lappen und zerrte daran - das Hautstück löste sich und riß die Hälfte der Klammern mit sich. Blut lief ungehindert über sein Bein, doch er bemerkte es kaum. Statt dessen betrachtete er das zerstörte Transplantat, und eine Woge der Erleichterung erfaßte ihn. Als er die Finger zu einer leichten Faust ballte, zerfiel der Hautlappen zu einem feinen Pulver. Mulder atmete tief durch, während er mit einem leisen Triumph zusah, wie der Staub aus seiner Hand auf den Boden herabrieselte.
»Ich habe ja schon gehört, dass ein Patient das Transplantat nicht verträgt«, murmelte er gedankenverloren. »Aber noch nie, dass das Transplantat den Patienten abstößt.«
Behende riß er einen Stoffstreifen vom unteren Saum seines Kittels und wickelte ihn fest um seine Wade. Die Blutung wurde schwächer, und wenn er auch die übrigen Klammern noch spüren konnte, hatte er doch kaum Schmerzen. Er dachte an den Balsam, mit dem er sich eingerieben hatte, und daran, wie das Hauttransplantat reagiert hatte. Er runzelte die Stirn. Allmählich formten sich die verschiedenen Puzzleteilchen zu einem erkennbaren Bild, doch er brauchte noch mehr Informationen, wollte er sich seiner Theorie ganz sicher sein.
Mulder schob die Beine von der Trage, ohne auf das dumpfe Pochen in seinem Schädel zu achten. Es ist nicht schlimmer als ein übler Kater, redete er sich ein. Eine Tasse Kaffee, und du bist so gut wie neu. Als seine Füße den kalten Betonboden berührten, kroch ein erneuter Schauder über seinen Rücken
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