Al Wheeler und die Malerin
öffnen war nicht das Risiko wert. Sie hätten mich ruhig eine
Viertelstunde länger draußen stehenlassen können, es hätte mir nicht das
geringste ausgemacht .«
»Vielleicht hätte ich das
getan«, sagte sie in eisigem Ton. »Nur haben Sie sich offenbar zufällig auf den
Summer gelehnt, und ich bin noch immer nicht sicher, ob meine Trommelfelle
zerschmettert oder nur geplatzt sind .«
»Gehen Sie in die Küche zurück,
Süße«, sagte ich in drängendem Ton. »Ich werde uns was zu trinken zurechtmachen
und...«
»Al Wheeler«, sagte sie mit
fester Stimme, »der kritische Augenblick ist vorüber. Die lasagne sind im Herd. Alles
ist in bester Ordnung, und wir können später essen, wann immer wir Lust haben.
Und zufällig habe ich eben zwei Scotch Old Fashioneds zurechtgemacht, und sie warten im Wohnzimmer auf uns .«
»Hilda Davis«, sagte ich
bewundernd, »Sie sind ein Genie !«
Ich folgte ihr ins Wohnzimmer
und blinzelte ein wenig. In ihrer Eile, die Tür zu öffnen, hatte Hilda keine
Zeit gefunden, die Flurlampe anzuknipsen, und ich mußte mich erst an den
plötzlichen Glanz gewöhnen. Hilda blieb stehen und wandte sich in der Sekunde
um, als mein Blick klar wurde. »Den Zucker habe ich weggelassen«, sagte sie.
»Ich dachte, Sie seien so etwa der letzte auf der Welt, der den süßen Geschmack
in den Zähnen mag und...« Sie blickte mich nervös an. »Was ist los? Ist Ihnen
nicht gut ?«
»Halten Sie bitte einmal einen Angenblick lang den Mund, ja ?« flehte
ich.
Hilda Davis, das Mädchen, das
mir im Mayerschen Haus die Tür geöffnet hatte, war
ein reizender Anblick gewesen, nachdem sie einmal ihr professionelles Gebaren
und die Forschheit in ihrer Stimme verloren hatte. Aber die Hilda Davis, die da
vor mir in meinem eigenen Wohnzimmer stand, sah aus wie etwas, das nicht von
dieser Welt war.
Das entschieden blonde Haar,
eng an den Kopf gekämmt, mochte zu dem schwarzen Hauskleid gepaßt haben. Aber nun hatte sie es sanft ausgebürstet, so daß es das Gesicht weich
umrahmte, und man konnte die zartgeformten hochliegenden Backenknochen, den
warmen Schimmer der haselnußbraunen Augen und die
beherrschte und doch sinnlich volle Unterlippe mit ihrem herausfordernden
Schwung deutlich sehen. Augenscheinlich ohne jede Anstrengung hatte sie sich
von einem reizenden Mädchen in eine Schönheit verwandelt.
»Sagen Sie was !« bat sie mit verzweifelter Stimme. »Ich kann den Ausdruck
auf Ihrem Gesicht nicht ertragen, mein Süßer. Sagen Sie es mir: Wo tut es am
meisten weh ?«
Die adrette schwarze
Hausmädchentracht war verschwunden, und an ihrer Stelle war da eine
atemberaubend enge schwarze Hülle. Der erregend tiefe Ausschnitt wurde mit
knapper Not von zwei Bändern in der Breite von Schnürsenkeln gehalten, die in
weitem Bogen über ihre weiße Schulter hinweg liefen. Der schwarze Schimmer des
Kleids wurde eng von Spitze umhüllt, die sich an der Hüfte zu einem luftigen
Überrock bauschte und die glatte, üppige, sich an Hüften und Oberschenkel
schmiegende Seide wie eine Wolke umhüllte.
»Al!« Auf ihrem Gesicht lag ein
Ausdruck wilder Verzweiflung. »Ihre Augen sind ganz glasig! Ich werde sofort
einen Doktor rufen. Machen Sie sich keine Gedanken; versuchen Sie, sich zu
entspannen, während ich ...«
»Sie sind schön«, sagte ich mit
heiserer Stimme. » Heute morgen dachte ich, Sie seien reizend — das war eine Beleidigung! Sie sind schön !«
»Ich — ja, wirklich?« Ein
Ausdruck plötzlichen Vergnügens trat in ihre Augen. »Ich bin froh, daß Sie das
finden — ! Fühlen Sie sich jetzt besser ?«
»Ich habe mich überhaupt nicht
schlecht gefühlt«, sagte ich wahrheitsgemäß, »nur einfach verzaubert .«
Ihre Augen wurden plötzlich
riesengroß. »Sie meinen — der ganze glasige Blick und alles übrige — , das war nur eine Reaktion auf mich?«
»Ich gebe zu, daß es nicht
besonders gut war«, sagte ich. »Alles Spontane ist meist unzulänglich, aber ich
werde daran arbeiten, und das nächstemal ...«
Ein mattes Rot überzog ihre
Wangen, und im nächsten Augenblick umschlang sie mit ihren Armen meinen Hals
und küßte mich leidenschaftlich.
»Ich habe noch gar nicht
gewußt, daß ich einen solch guten Geschmack habe, was Männer anbetrifft«, sagte
sie beglückt, nachdem sie mich zwei Minuten später schließlich losgelassen
hatte. »Wie steht’s mit einem Old Fashioned ?«
»Was ?« fragte ich.
Sie trat mißtrauisch einen
Schritt zurück. »Wenn Sie schon mit einem leeren Magen so
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