Al Wheeler und die Verführerin
Figur, die
Annabelle hatte, wäre es einem noch durch und durch gegangen, wenn sie einen
hawaiianischen Mumuu angehabt hätte.
»Das Wasser läuft einem im Mund
zusammen«, sagte ich bewundernd. »Sie sind heute morgen wieder das reinste
Gemälde. Meine Magnolienblüte, mein Engel, meine süße Erinnerung an die alte
Heimat in Kentucky.«
»Ich würde Ihnen liebend gern
Ihr wässeriges loses Maul stopfen, Sie alternder Casanova«, sagte sie ruhig.
»Ich wundere mich überhaupt, daß Sie noch Zeit haben, mich alte Schachtel zu
beehren, wo drei schöne Frauen in die Affäre verwickelt sind.«
»Das liegt an meinem reinen
Leben, meinen reinen Gedanken und meiner Leberzirrhose«, sagte ich. »Meine
Manneskraft nimmt in dem Maße zu, wie meine Lebenserwartung abnimmt. Nur eine
Frage, bevor ich zum Boß hineingehe...«
»Nein«, sagte sie heftig.
»Raschelt Ihre Unterwäsche,
wenn Sie gehen?« fragte ich interessiert.
»Sie sind widerwärtig«, sagte
Annabelle mit plötzlich tiefrotem Gesicht. »Sie können Gift drauf nehmen, daß
bei mir nichts raschelt.«
»Haben Sie da keine Angst, daß
Sie sich erkälten?« fragte ich voller Mitgefühl und wischte dann in das Büro
des Sheriffs, bevor sie mit dem nächstbesten Gegenstand nach mir schmeißen
konnte.
Lavers blickte mich finster an,
als ich die Tür schloß und mich auf den nächsten leeren Stuhl zubewegte.
»Was zum Kuckuck haben Sie den
ganzen Vormittag gemacht?« fragte er.
»Ich war im Motel«, sagte ich.
»Warum verschwenden Sie Ihre
Zeit da draußen, wenn Sie einen Mörder fassen sollen?«
Ich fand, es war eine gute
Frage, weil mir so ganz und gar nichts darauf einfiel, und so ließ ich es dabei
bewenden. Lavers rammte sich eine Zigarre ins Gesicht, wobei ich ihn fasziniert
beobachtete, während er sie anzündete.
»Wie viele Zigarren rauchen Sie
am Tag, Sheriff?« fragte ich ihn.
»Ich weiß nicht«, brummelte er.
»Acht oder neun. Warum?«
»Ich wette, Sie waren ein
Flaschenkind«, sagte ich. »Die Psychologen glauben, es handle sich dabei um ein
unterbewußtes Sehnen nach der Wärme und Geborgenheit, die nur an der
Mutterbrust...«
»Wheeler!« Einen Augenblick
lang kochte er vor Wut. »Können Sie nicht mal an was anderes als an Sex
denken?«
»Sir«, sagte ich vorwurfsvoll.
»Wir sprachen von Ihrer Mutter.«
Lavers schloß für eine kurze
Zeit die Augen. »Na schön«, sagte er schließlich. »Was haben Sie Neues im Motel
gefunden?«
Ich zog den Umschlag aus meiner
Tasche und schob ihn ihm hin. Während er mit Stielaugen auf die Fotos sah, gab
ich ihm einen kurzen Abriß über das, was sich ereignet hatte, seit ich am
vorhergehenden Tag sein Büro verlassen hatte. Ich erzählte ihm von meinem
Besuch im Double Zero Club mit Ray Willis und von den Dingen, die Ilona
Brent mir berichtet hatte. Je mehr ich sprach, um so mehr bekam ich das Gefühl,
daß er meine Bemühungen in keiner Weise würdigte. Als ich nichts mehr zu
berichten wußte und vor ihm saß, bohrte er seine Knopfaugen mit dem
unbarmherzigen Drall eines elektrischen Bohrers in mich.
»Ich weiß«, sagte er
freundlich. »Ich bin ja nur der Sheriff hier und als solcher niemand von
Bedeutung. Aber ich glaube, Sie hätten mir doch wenigstens höflichkeitshalber
mitteilen sollen, welche Geschehnisse Sie veranlaßten, die städtische
Sittenpolizei auf den Klub zu hetzen.«
»Sie haben völlig recht, Sir«,
sagte ich teilnahmsvoll. »Und zweifeln Sie bitte keinen Augenblick daran, daß
ich das nicht getan haben würde.«
»Ich verstehe immer nur
Bahnhof.«
»Wenn ich die Sittenleute auf
Ray Willis gehetzt hätte, würde ich Sie zuvor angerufen haben«, erklärte ich.
Sein Unterkiefer sackte herab,
und die Zigarre fiel aus seinem Mund auf den Schreibtisch. Sie fing an, ein
Loch in seine Schreibunterlage zu brennen, bevor er sie erwischte. »Sie wollen
also sagen, Sie haben sie gar nicht draufgehetzt?«
»Stimmt aufs Haar, Sir.«
»Der Kerl betreibt ein als
Schlüsselklub getarntes zweifelhaftes Etablissement«, sagte Lavers mit
unterdrückter Stimme, »und bedroht Sie außerdem noch mit einer Pistole — aber
Sie kommen nicht einmal auf den Gedanken, die Sittenpolizei anzurufen?« Er sah
mich beinahe entschuldigend an. »Ich möchte Sie nicht in Verlegenheit bringen,
Wheeler, aber unter den gegebenen Umständen ist die Frage einfach unumgänglich
— warum haben Sie wegen Ray Willis die Sittenpolizei nicht alarmiert?«
»Ich wollte nicht, daß die an
einem meiner Hauptverdächtigen
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