Al Wheeler und die Verführerin
vorliegenden
Indizien als Motiv, im Zusammenhang mit diesen Bildern, genügen, um Ihnen den
Prozeß zu machen, mit der Chance von siebzig zu dreißig, daß die Geschworenen
Sie schuldig sprechen werden.«
Sie biß sich auf die
Unterlippe, bis zwei kleine Blutstropfen sichtbar wurden. »Aber ich habe ihn
nicht umgebracht«, sagte sie verdrossen.
»Sie haben da so ein paar
Bemerkungen über Hillary fallenlassen«, sagte ich leichthin. »Irgend so was,
daß er Oberschülerinnen jede Menge Fürsorge angedeihen ließe. Damals dachte
ich, es handle sich wahrscheinlich nur um einen Ihrer lieben
Kleinmädcheneinfälle, die Sie den Leuten dauernd an den Kopf werfen. Aber jetzt
bin ich nicht mehr so sicher. Seine Beziehungen zu dem verblichenen Albert
Marvin machen mich neugierig — war Marvin möglicherweise sein Zutreiber? Und
ich frage mich, warum Sie nach einem halbstündigen Zusammensein mit ihm gestern
nacht mit gerötetem Gesicht und einem Bündel Scheine zurückgekommen sind. Aber
vielleicht habe ich nur eine lebhafte Fantasie.«
»Das haben Sie bestimmt«, sagte
sie rasch.
»Wirklich?« Ich blickte sie
einige Sekunden lang an und sah, wie sie langsam tiefrot wurde. »Wie oft muß
ich es Ihnen noch sagen, Angela — Sie haben eine Anklage wegen Mordes zu
gewärtigen. Sie stehen so kurz davor, daß Sie sie mit Händen greifen können.«
»Was raten Sie mir denn zu
tun?« fragte sie heiser.
»Klären Sie mich über Hillary
auf«, sagte ich.
Sie trank ihr Glas aus und
streckte es mir dann hin. »Ich brauche noch was zu trinken.«
Ich nahm das Glas aus ihrer
Hand und ging aufs neue zu ihrer Kommode. Während ich eingoß, ließ ich mir Zeit
und drehte ihr den Rücken zu.
»Davon, daß Marvin ihm Mädchen
zuschusterte, weiß ich nichts«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Aber möglich
ist es. Es stimmt, daß Hillary eine Schwäche für Oberschülerinnen hat. Ich kam
dahinter, bevor ich in die Schweiz ging.«
Ich brachte ihr das neugefüllte
Glas und setzte mich aufs äußerste Ende der Couch. Sie hob das Glas an den
Mund, legte den Kopf zurück und trank es in einem einzigen langen Zug aus.
»Er verführte mich«, sagte sie
beiläufig. »Zwei Monate nach meinem sechzehnten Geburtstag — es sollte wohl
eine Art verspätetes Geburtstagsgeschenk sein. Ich kann nicht behaupten, daß
ich noch unschuldig war, als es geschah, aber es war meine erste große
Geschichte. Haben Sie eine Zigarette, Leutnant?«
Ich gab ihr eine Zigarette und
zündete sie an. »Eine Weile wurde es zur lieben Gewohnheit«, fuhr sie fort.
»Ich hatte im Grunde nichts dagegen. Hillary ist ein freundlicher Bursche, und
meine liebende Mutter war ganz verrückt nach ihm, und das meiner Meinung nach
schon seit langer Zeit. Ich glaube, es machte mir Spaß, daß er mich ihr vorzog.
Dann kam das Unvermeidliche — sie überraschte uns eines Tages
unerwarteterweise. Vielleicht war sie mißtrauisch geworden, ich weiß es nicht.
Jedenfalls kam sie im unpassendsten Augenblick. Sie hätten sie erleben sollen.
So, wie sie schrie und herumtobte, dachte ich, sie würde in der Klapsmühle
enden. In einem gewissen Stadium ergriff sie einen Eiszerkleinerer von der Bar
und versuchte, ihn Hillary ins Herz zu stoßen. Aber damit hatte sich’s dann.
Meine Güte! Und die kleine Angela kam in die Schweiz.« Sie zog lang und
nachhaltig an ihrer Zigarette. »Seit der Zeit hatte der liebe alte Hillary eine
Schwäche für mich. Er war mir sehr nützlich — meine liebende Mutter hat mich immer
ziemlich knapp gehalten, und so sagte ich Hillary Bescheid, wenn ich Geld
brauchte, und wie gestern nacht hat er immer ordentlich was springen lassen.«
»Wirklich, ein reizender
Mensch«, sagte ich hämisch. »Mit ihm verglichen könnte man Ray Willis direkt als
Gentleman bezeichnen.«
»Regen Sie sich nicht über
Hillary auf, Leutnant.« Sie zog eine Schnute. »Er ist auch nicht anders als
andere Männer.«
»Ich kenne nicht viele
vierzigjährige Männer, die herumstiefeln und sechzehnjährige Mädchen
verführen«, sagte ich. »Sie vielleicht?«
»Die andern würden’s auch tun,
wenn sie Gelegenheit hätten«, sagte sie ruhig. »Sie sind ja noch nicht vierzig.
Irgendwo in den Mittdreißigern, wie ich schätze, stimmt’s?«
»Jedenfalls habe ich mich noch
nie an Oberschülerinnen herangemacht. Jedenfalls nicht, seitdem ich von der
Oberschule abgegangen bin.«
»Und wie steht’s mit einer
beinahe Achtzehnjährigen?« sagte sie mit sanft verruchter Stimme.
»Hören Sie«,
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