Al Wheeler und die Verführerin
haben.«
»Was haben Sie sonst noch in
Ihrer Wohnung«, fragte sie unbewegt. »Ein Trapez?«
Ich fuhr vom Double Zero
Club direkt nach Hause und kam gegen halb elf in meine Wohnung. Der Ärger
mit dem Verheiratetsein ist, daß die meiste Zeit, die man allein sein will,
jemand zu Hause auf einen wartet. Und der Ärger mit dem Junggesellendasein ist,
daß man die meiste Zeit allein zu Hause sitzt, wenn man Gesellschaft haben
will. Ich öffnete die Wohnungstür und sah mich den Vorzügen beider Zustände gegenüber.
Ilona Brent saß in einem Sessel und wartete auf mich. Sie hatte wieder dieses
strenge Kostüm an, diesmal allerdings mit einer weißen Bluse. Ihr Koboldgesicht
blickte kühl, ja beinahe kalt drein.
»Wie sind Sie hier
reingekommen?« fragte ich sie.
»Ich hab’ dem Hausmeister
gesagt, ich könnte von Ihnen meinen rückständigen Unterhalt nicht bekommen und
sei aus meiner Wohnung rausgeschmissen worden«, sagte sie ruhig, »so hat er
mich reingelassen.«
»Ihre Geschichte wird meinen
Kredit mächtig heben«, sagte ich verdrossen.
»Er war reizend«, sagte Ilona
und lächelte anmutig. »Er sagte, von einem lausigen plattfüßigen Kriminaler sei
ja schließlich auch nichts anderes zu erwarten, und das nächste Mal, wenn der
Krach aus Ihrer HiFi-Anlage ihn mitten in der Nacht weckt, wird er die
Hauptsicherung von Ihrer Wohnung rausschrauben und Sie bis zum anderen Morgen
im Dunkeln schmoren lassen.«
»Es gibt eben keine Dankbarkeit
mehr«, sagte ich düster. »Heutzutage hält einem auch niemand mehr die Stange.
Erst letztes Weihnachten habe ich ihm einen Vierteldollar gegeben, und das ist,
was ich nun dafür zurückkriege.«
»Seiner Ausdrucksweise nach ist
der Lohn der guten Tat mindestens einen halben Dollar wert.«
»Stimmt«, sagte ich und fühlte
mich plötzlich heiterer. »Das ist wirklich wundervoll — Sie sind genau das
Mädchen, das ich mir herbeigewünscht habe. Ich hole uns was zu trinken, und
dann können wir uns unterhalten oder irgendwas anderes tun.«
»Ich möchte nichts zu trinken«,
fauchte sie. »Das Mädchen, nach dem Sie sich gesehnt haben — daß ich nicht
lache! Sie haben sich rund sieben Stunden heute im Hotel aufgehalten; aber Sie
sind nicht mal dazugekommen, bei mir zu klopfen. Dabei hat uns meistens nur
eine Wand getrennt.«
»Meine Liebe«, sagte ich mit
schwer leidender Stimme, »Sie wissen doch, wie’s einem geht — ich bin eben
Kriminalbeamter. Vierundzwanzig Stunden Dienst ohne Unterlaß. Und wo wir
hinmüssen, da müssen wir eben hin, ohne daß uns die Wahl bleibt.«
»Wollen Sie damit sagen, daß
das Schäferstündchen Lyns Einfall gewesen sei«, fauchte sie beinahe.
»Bei Ihrem feinen Gehör müssen
Sie direkt die Holzwürmer sich durch das Gebäude fressen hören«, sagte ich voll
ehrfürchtiger Bewunderung.
»Wollen Sie mir damit
unterstellen, daß ich an der Wand gehorcht habe«, keuchte sie voller Wut.
»Ich bin nur eben mal für ‘ne
kleine Stärkung vorbeigekommen«, sagte ich sanft. »Was ich nicht begreife, ist,
warum wir uns so zanken, als ob wir schon seit Jahren verheiratet wären, wo Sie
doch nur hergekommen sind, um etwas von dem rückständigen Unterhalt zu
ergattern — und wir doch gar nicht verheiratet sind.«
Eine ganze Weile versuchte sie,
ernst zu bleiben. Dann platzte sie mit lautem Gelächter heraus. Ich ging in die
Küche, um uns was zu trinken zu holen, und als ich zurückkam, war ihr Lachkrampf
zu einem alle fünf Sekunden aus ihr hervorbrechenden Gekicher abgeklungen.
Dankbar nickend nahm sie mir
das Glas aus der Hand.
»Lyn hat mir alles erzählt —
ein Geständnis des Triumphs«, sagte sie, als sie wieder zu sich gekommen war.
»Und ich mußte ihr zuhören und lächeln, wo ich ihr am liebsten die Augen
ausgekratzt hätte — und das alles nur Ihretwegen.«
»Meinetwegen?«
»Sie hätten soviel Kraft
aufbringen sollen, nein zu sagen. Sobald sie gemerkt hätte, daß es Ihnen damit
ernst ist, wäre die Sache für sie erledigt gewesen.«
»Ich wette, daß Sie das allen
Mädchen empfehlen«, sagte ich düster. »Aber der Liebesschrei ist heute abend
aus Mrs. Summers’ Plattenparade gestrichen worden. Ich hab’ es sozusagen in
Fraktur zu hören bekommen, damit es auch ganz sicher in meinen Schädel geht.
Diese Dame ist eine ganz besondere Pflanze. Die kriegt nicht den
Siebenjahresrappel wie gewöhnliche Leute. Bei der funkt’s alle zwei Jahre.
Überfällt sie sozusagen wie der Blitz, schneller wie die Steuerfahndung,
Weitere Kostenlose Bücher