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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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Bewegung beugte sie sich aus dem Sattel, schaufelte eine Handvoll Schnee auf und warf sie ihm von unten herauf ins Gesicht. »Siehst du?«, lachte sie, als sie an Jonathan vorbeitrottete. »Ich bin warm angezogen und beweglich.«
    Sie holte Gary und Raoul ein und ritt eine Weile neben ihnen her. Seit einiger Zeit bekam sie ihre beiden Freunde
nur noch selten zu Gesicht – der König übertrug den beiden laufend irgendwelche Aufgaben. Die drei lachten und machten Blödsinn, bis der Jäger, der die Oberaufsicht hatte, zum Zeichen, dass etwas aufgespürt worden war, sein Jagdhorn blies. Als die Ritter weiterritten, blieb Alanna zurück. Sie wusste, dass sie nicht gebraucht wurde. Es machte ihr nichts aus, wenn bei einer Jagd dieser Größenordnung ein anderer die Ehre davontrug. Nur allzu oft tat ihr das Tier leid, wenn die bewaffneten und geübten Ritter derart in der Überzahl waren. (Was nicht bedeutete, dass sie mit einem Wolf Mitleid hatte, der kleine Kinder riss.)
    Tatsächlich war es ein Wolf, den man aufgespürt hatte; der König selbst brachte ihn zu Fall. Doch war es nicht der Graue Dämon. Alanna beobachtete jede Bewegung zwischen den Bäumen und wünschte sich, sie hätte Trusty mitgebracht. Am Morgen war es ihr lächerlich erschienen, einen Kater zur Wolfsjagd mitzunehmen, doch jetzt vermisste sie die scharfen Augen und die gute Nase ihres Freundes.
    Die Jagd ging weiter und ein anderer Wolf und ein bösartiger alter Eber wurden erlegt. Langsam verteilten sich die Jäger über den ganzen Königswald, bis Alanna von Zeit zu Zeit nur noch den Geräuschen nachgehen konnte, wenn sie nicht allein zurückbleiben wollte. Sobald die anderen einen Bogen schlugen und zurückkamen, schloss sie sich jedes Mal wieder an, bis sie die Jäger wieder aus den Augen verlor. Sie machte sich aber keine Sorgen. Sie war nie so weit von den anderen entfernt, dass ein Ruf aus dem an ihrem Gürtel baumelnden Horn nicht auf der Stelle Hilfe herbeigebracht hätte, und meistens waren auch andere Reiter ganz in der Nähe. Außerdem griff der Graue Dämon keine Krieger, sondern Kinder und alte Leute an.

    Ein Laut war zu hören, dann ein Krachen! Das wütende Knurren eines Wolfes! Alanna ließ den Braunen herumwirbeln und schrie nach Hilfe. Sie hörte einen triumphierenden Antwortschrei, gab ihrem Pferd die Sporen, jagte auf die Lichtung, von wo der Schrei gekommen war, und machte halt. Herzog Roger kniete im Schnee und sein Speer steckte im Körper eines mächtigen grauen Wolfes. Roger strahlte, als er Alanna entdeckte. »Einige Augenblicke früher, und du hättest ihn kriegen können, Alan.«
    Alanna stieg ab und wollte dem Herzog zur Hand gehen. »Ich neide Euch Eure Beute nicht, Herr. Seid Ihr sicher, dass es der Graue Dämon ist?«
    Roger zuckte die Achseln. »Wie viele Wölfe von dieser Größe und Farbe mag es wohl geben?«, fragte er.
    Ein tiefes, wildes Knurren erklang. Alannas Pferd bäumte sich auf, galoppierte mit einem entsetzten Wiehern fort und trug den Speer des Mädchens mit sich davon. Alanna erstarrte. Sie fluchte leise und starrte angestrengt zwischen die umstehenden Bäume. Dann sah sie ihn: Ein Wolf, größer als der, den Roger erlegt hatte, kam auf sie zugeschlichen. Er lief so geduckt, dass er mit dem Bauch den Boden berührte. Sein linkes Auge fehlte; sein anderes funkelte wild entschlossen.
    Er griff an. In der Hoffnung, es möge ihr gelingen, das riesige Vieh aufzuspießen, bevor es zum Sprung ansetzte, zog Alanna Blitz aus der Scheide. Die Schneedecke unter ihr gab nach. Sie stolperte; ihr Schert schlug dem Wolf eine Wunde in die Seite und fiel ihr aus der Hand. Durch die Verwundung gereizt, fuhr der Wolf herum und griff erneut an.
    Alanna blieb keine Zeit, ihr Schwert wieder aufzuheben. Sie packte ihren Dolch, zielte auf die Seite, wo dem Wolf
das Auge fehlte, und stürzte sich auf den Rücken des mächtigen Tieres. Alanna und der Wolf überschlugen sich im Schnee, Grau und Braun verwirbelten zu einem verschwommenen Bild, in dem das Weiß der Wolfszähne und das Kupferrot von Alannas Haaren aufblitzten.
    Roger schaute auf: Die Lichtung war von Jägern umstellt. Myles packte Jonathan an der Schulter und hielt ihn zurück. In den Augen des Prinzen lag entsetzliche Angst um seinen Freund. Alanna sah nicht, dass Verstärkung gekommen war. Sie sah nur den Wolf, der mit aller Kraft versuchte, sie von sich zu schleudern. Verzweifelt hielt sie sich fest und stieß immer wieder mit dem Messer zu. Plötzlich

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