Alanna - Das Lied der Loewin
Ritter musste beweglich sein, damit er schnell herumwirbeln und ausweichen konnte.
In der nächsten Stunde trug sie eine gepolsterte Stoffrüstung, während sie ihren ersten Unterricht im Umgang mit einer Lanze erhielt. Bevor sie lernen würde mit einem Schwert umzugehen, musste sie erst einmal nachweisen, dass sie den Kampf mit einer Lanze einigermaßen beherrschte. Ohne die dicke Polsterung hätte sie sich gleich an diesem ersten Nachmittag etwas gebrochen. So lernte sie einen auf ihren Körper gerichteten Stoß aufzuhalten – und anschließend fühlte sie sich, als habe ein Pferd sie getreten.
Dann lernte sie die wichtigste Bewegung beim Ringen – den Fall. Sie versuchte, im Fallen mit der Hand auf den Boden zu klatschen, sie versuchte, ihr Gewicht auf die richtigen Stellen zu verlagern, und jedes Mal, wenn ihr das misslang oder wenn sie es vergaß, zog sie sich neue Schrammen zu.
In der nächsten Stunde musste sie mit ihrem verschrammten und schmerzenden linken Arm einen Schild halten. Als Partner bekam sie einen Jungen mit einem dicken Holzstock zugeteilt. Der Zweck der Übung war zu lernen, wie man einen Schild zur Abwehr benutzt. Wenn sie Erfolg hatte, konnte sie den Schlag abfangen. Hatte sie keinen, dann versetzte ihr der Gegner einen schmerzhaften Hieb auf den Teil des Körpers, den sie ungedeckt gelassen hatte. Nach einer
Weile wechselten sie die Seiten. Jetzt schwang sie den Stock, während ihr Partner ihren Angriff abwehrte. Doch das gab ihr nicht unbedingt ein besseres Gefühl – da sie zum ersten Mal mit einem Stock umging, wehrte ihr Gegner jeden Stoß ab, den sie zu landen versuchte.
Mit dem leisen Gefühl, irgendwie betrogen worden zu sein, folgte Alanna Gary zum nächsten Hof. Das Bogenschießen lief etwas besser, aber nur etwas. Da sie es schon zum Teil beherrschte, erlaubte man ihr tatsächlich, den Bogen zu spannen und abzuschießen. Als der Lehrer entdeckte, dass sie ein gutes Auge hatte und noch besser zielen konnte, ließ er sie daran arbeiten, richtig zu stehen und den Bogen zu halten – und zwar eine Stunde lang.
Die letzte Unterrichtsstunde dieses Tages verbrachte sie auf dem Pferderücken. Da Alanna nur Chubby hatte, teilte man ihr eines der vielen Pferde aus den königlichen Ställen zu. Ihre erste Lektion beinhaltete, richtig zu sitzen, im Kreis zu galoppieren, ohne herunterzufallen, und genau vor dem Lehrer anzuhalten. Da das Pferd zu groß für sie und zudem hartmäulig war, fiel Alanna dreimal herunter. Es gelang ihr nicht, das Tier in den Griff zu bekommen, und als sie das dem Lehrer sagte, befahl er ihr nur, sie solle sich dreimal wöchentlich nach dem Abendessen für zusätzliche Reitstunden bei ihm melden.
Alanna war völlig erschöpft, als die ferne Glocke sie nach drinnen rief. Schnell ging sie mit den anderen hinein, um ein Bad zu nehmen und sich eine saubere Uniform anzuziehen. Inzwischen war sie so erledigt, dass sie kaum noch die Augen offenhalten konnte. Aber ihr Tag war noch nicht zu Ende. Gary rüttelte sie wach und nahm sie mit hinunter in die Banketthalle, wo er sie neben der Küchentür abstellte.
Von dort aus reichte sie die Platten, die ihr vom Küchenpersonal übergeben wurden, an die Pagen weiter und nahm schmutzige Platten entgegen, um sie in die Küche zurückzugeben.
Beim Abendessen schlief sie ein. Gary bugsierte sie nach dem Essen in eine kleine Bibliothek und erinnerte sie an die Aufgaben, die sie für den nächsten Tag zu erledigen hatte. Er half ihr mit dem Gedicht; dann ließ er sie mit ihren Mathematikaufgaben allein. Alanna kämpfte sich durch drei davon, bevor sie über dem Schreibtisch einschlief. Ein Diener fand sie und weckte sie gerade noch rechtzeitig vor dem Lichterauslöschen. Sie fiel ins Bett und war augenblicklich eingeschlafen.
Alanna stöhnte, als sie am nächsten Morgen aufwachte. Jeder einzelne Muskel war hart und schmerzte, und ihr Körper war von großen und kleinen Schrammen und blauen Flecken übersät. Schwerfällig machte sie sich fertig für den neuen Tag, wobei sie sich fragte, ob sie ihn wohl lebend überstehen würde.
Er verlief wie der vorhergehende, nur noch schlimmer. Der Mathematiklehrer gab ihr vier weitere Aufgaben auf und – als Strafe für die eine, die sie nicht gelöst hatte, weil sie am Abend zuvor eingeschlafen war – noch drei dazu. Der Lehrer, der Lesen unterrichtete, teilte ihr mit, da ihr Referat über das lange Gedicht nicht zufriedenstellend sei, könne sie für den nächsten Tag ein
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