Alanna - Das Lied der Loewin
mächtigen, kastanienbraunen Hengst. Die anderen machten Platz. Eine Weile sagte er nichts.
Er starrte sie nur an.
Schließlich nickte er. »Ich bin Halef Seif, Häuptling vom Stamm des Blutigen Falken vom Volke der Bazhir«, sagte er förmlich. »Jene, die tot sind, waren Unbefugte auf unserem Sand. Sie ritten hier ohne Erlaubnis. Auch ihr kommt ungebeten. Weshalb sollten wir nicht mit euch verfahren, wie wir mit jenen verfuhren, Frau-die-wie-ein-Mann-reitet?«
Alanna rieb sich erschöpft die Stirn. Sie war zu müde und zu benommen für das höfliche Geplänkel, das bei den Bazhir als Konversation galt. Der Umgang mit diesen Wüstenkriegern war schwierig. Glücklicherweise war sie von einem Experten in ihre Bräuche eingewiesen worden.
Trusty kletterte auf ihre Schulter, was die zuschauenden Stammesleute mit einem Murmeln quittierten. Alanna sah ihren Kater wütend an. Er wusste genau, wie nervös er die Bazhir machte, das war klar. Schwarze Katzen mit purpurfarbenen Augen bekommen sie nicht oft zu Gesicht , dachte sie sich. »Du wirst langsam zu groß, um da oben zu hocken«, flüsterte sie.
Mach dir mal darüber keine Sorgen , erwiderte Trusty. Sein Miauen war für Alanna seit jeher ebenso verständlich wie die menschliche Sprache. Red jetzt mit ihnen.
Plötzlich fühlte sie ihre Zuversicht und Energie zurückkommen. »Ich hoffte, Ihr werdet Gerechtigkeit walten lassen, Halef Seif vom Stamm des Blutigen Falken«, entgegnete sie. »Wir begingen keinen Diebstahl, auch taten wir keinem etwas zuleide. Wir, mein Freund und ich, reiten lediglich gen Süden. Würdet Ihr einem Krieger des Königs etwas zuleide tun?«
Ihr Spiel verfehlte die Wirkung. Halef Seif zuckte die Achseln. »Wir kennen keinen König.«
Alanna hörte, wie Coram nervös in seinem Sattel hin und her rutschte. Vermutlich wäre es einfacher gewesen, wenn sie mit Männern zu tun gehabt hätten, die König Roald von Tortall anerkannten. Bestimmt waren Abtrünnige nicht gerade begeistert Roalds ungewöhnlichsten jungen Ritter in ihrer Mitte zu sehen.
»Ihr kennt keinen König, doch andere Eures Volkes kennen ihn wohl. Wenn sie wüssten, dass Ihr eine königliche Ritterin und ihren Begleiter festhaltet, würden sie Euch möglicherweise zur Vorsicht raten«, warnte Alanna.
Das sorgte für Belustigung unter den Reitern. Nur ihr Anführer machte immer noch ein finsteres Gesicht. »Ist Euer König so machtlos, dass er Frauen als Krieger nimmt? Einen solchen König können wir nicht wertschätzen, ebenso wenig wie eine Frau, die so schamlos ist, dass sie Männerkleidung trägt und mit bloßem Gesicht reitet.«
Alanna deutete auf die Männer von den Hügeln, die sie mit Coram zusammen zu Fall gebracht hatte. »Auch sie hielten mich nicht für einen würdigen Gegner. Seid Ihr sicher, dass mein Freund und ich ihren Schwertern zum Opfer gefallen wären, wenn Ihr uns nicht beigestanden hättet? Sie zerbrachen mein Schwert.« Sie fügte mutig hinzu: »Aber
was ist schon ein Schwert? Ich habe meine Axt, meinen Dolch und meinen Speer. Ich habe Coram Smythesson, der mir den Rücken deckt, wie ich den seinen decke.«
»Große Worte von einer kleinen Frau«, bemerkte Halef Seif. An seinem Gesichtsausdruck ließ sich nicht ablesen, was in ihm vorging.
Einer der Reiter, der die meisten anderen weit überragte, trieb sein Pferd nach vorn. Er starrte Alanna an, bis er plötzlich zufrieden nickte. »Sie ist es!«, rief er. »Halef, sie ist jene, die in unseren Legenden als Lichtgöttin bezeichnet wird.«
»Fahr fort, Gammal!«, befahl Halef.
Der Krieger verbeugte sich so tief vor Alanna, wie es ihm sein Sattel gestattete. »Erinnert Ihr Euch noch an mich?«, fragte er hoffnungsvoll. »Ich stand am kleinsten Westtor der Steinernen Stadt, die von denen aus dem Norden Persopolis genannt wird. Vor sechs Regenzeiten war es. Euer Herr, der Blauäugige, kaufte mein Schweigen mit Gold.«
»Natürlich!«, sagte Alanna und strahlte. Jetzt fiel es ihr wieder ein. »Und du hast auf die Münze gespuckt und draufgebissen.«
Der große Mann warf einen Blick zu seinem Häuptling hinüber. »Sie ist es! Sie kam mit dem blauäugigen Prinzen, dem Nachtgott, und die beiden befreiten uns vom Joch der Schwarzen Stadt.« Er schlug dicht vor seiner Brust das Zeichen gegen das Böse. »Ich ließ sie an jenem Morgen durchs Tor hinaus!«
Halef musterte Alanna mit gerunzelter Stirn. »Spricht er die Wahrheit?«
Alanna zuckte die Achseln. »Prinz Jonathan und ich ritten zur Schwarzen
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