Alanna - Das Lied der Loewin
Kampf.«
Die Bazhir umringten sie, um ihr zu gratulieren. Nur ein paar wenige blieben zurück, darunter der Schamane Akhnan Ibn Nazzir. Alanna wollte einlenken und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Wollen wir Frieden schließen?«, fragte sie. »Ich habe nichts gegen Euch noch gegen Eure Bräuche.«
»Unnatürliches Weib!«, knurrte er. »Das Gleichgewicht ist gestört, solange Ihr Euch wie ein Mann benehmt! Er starrte die inzwischen verstummten Bazhir grimmig an. »Unser Stamm wird leiden, bis wir diese Dämonin verjagt haben!« Damit raffte er seinen Burnus zusammen und stolzierte davon.
Einen Augenblick lang waren alle still. Schließlich zuckte Alanna die Achseln.
Sie drehte sich zu Halef Seif um.
»Und jetzt?«, fragte sie.
An dem harten Gesichtsausdruck des Häuptlings war abzulesen, dass er auf den Schamanen nicht gut zu sprechen war. Dann hob auch er die Schultern und ließ sie wieder
sinken. »Gesetz ist Gesetz. Ihr habt den Zweikampf überlebt – nun seid Ihr eine von uns.« Die Stammesangehörigen stimmten murmelnd zu.
»Akhnan Ibn Nazzir ist nicht mehr der Jüngste. Mit neuen Ideen tut er sich schwer«, sagte er lächelnd. »Jetzt machen wir Euch zu einem Krieger unseres Stammes, ebenso Euren Gefolgsmann Coram, falls Ihr ein gutes Wort für ihn einlegt.«
»Natürlich lege ich ein gutes Wort für ihn ein!« Was für eine Frage!
»Dann streckt Euren Arm aus!«, wies Halef sie an. Alanna gehorchte. Mit einer raschen Bewegung zog er einen oberflächlichen Schnitt an der Innenseite ihres Unterarms. Er streckte sein eigenes Handgelenk aus, machte es genauso und presste dann seine Wunde auf die ihre.
»Werdet eins mit dem Stamm und eins mit unserem Volk!«, befahl er. Plötzlich war seine leise Stimme tief und schallend geworden. Alanna schauderte, als ein fremdartiger Zauber in ihren Körper strömte. Instinktiv spürte sie, dass Halef Seif lediglich ein Werkzeug war für diese Magie, die so alt war wie die Bazhir-Stämme selbst.
Ihr Blut vermischte sich und tropfte auf den Sand. Die umstehenden Männer jubelten. Alanna berührte ihren Glutstein und sah zu, wie Gammal das Ritual mit Coram vollzog. Die weiß schimmernde Magie ging von jedem einzelnen der anwesenden Männer aus und lag ringsum in der Luft.
Alanna ließ zu, dass Ishak ihren Arm verband. Einen Moment lang verspürte sie Mitleid mit Coram. Der ehemalige Soldat schien ganz unglücklich zu darüber sein, dass er an einem Zauberritual teilnehmen musste, auch wenn es nur kurz dauerte. Jetzt gehörten sie wirklich zu den Bazhir, waren
durch Blut und Zauber mit den Wüstenbewohnern verbunden.
Nun begann das Gelage. Die Frauen brachten Speisen, während die Männer den beiden neuen Mitgliedern Geschichten ihres Stammes und die wichtigsten Legenden erzählten. Als Alanna schlappmachte und schlafen ging, wurde gerade im Osten der Himmel grau. Coram hatte man ins Zelt der Unverheirateten umquartiert; trotz ihres neuen Standes schien man von ihr zu erwarten, dass sie sich an das hielt, was schicklich war. Amüsiert ließ sie sich auf ihr Kissen sinken und schlief augenblicklich ein.
Sonnenstrahlen fielen ihr in die Augen und weckten sie auf. Ihr Zelteingang war offen; am Stand der Sonne sah sie, dass es Mittag war. Stöhnend und den schmerzenden Kopf haltend kam sie taumelnd auf die Füße.
»Wir warten schon seit einer Ewigkeit«, verkündete Kourrem.
Alanna warf den beiden Bazhir-Mädchen, die sie am Vortag willkommen geheißen hatten, einen finsteren Blick zu. »Ich bin erst bei Morgengrauen ins Bett gekommen«, knurrte sie, verschwand hinter einer Trennwand und zog sich um. Sie fühlte sich furchtbar; der Dattelwein, den sie getrunken hatte, war ihr nicht sonderlich gut bekommen.
»Sie haben dich zu einem Krieger unseres Stammes gemacht.« Karas Stimme klang ehrfürchtig. »Dabei bist du doch eine Frau.«
Alanna zog den frischen, hellbraunen Burnus an, den sie bei ihren Kleidern fand. Da sie ja nun ein Mitglied des Volks der Bazhir war, schien es ihr angemessen, sich entsprechend zu kleiden. Sie kam hinter der Trennwand hervor und wusch sich in einem Wassergefäß das Gesicht. »Akhnan Ibn Nazzir
sagt, du bist eine Dämonin«, berichtete Kourrem. »Er sagt, du hast das göttliche Gleichgewicht gestört. Er will, dass die Stammesleute dich töten.«
Alanna trocknete sich energisch das Gesicht ab und fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar, bevor sie antwortete: »Unsinn. Wieso ging die Sonne auf, wenn das göttliche Gleichgewicht
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