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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
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irgendeiner sah, wie sie sich die nassen Augen wischte, konnte sie es auf das grelle Licht schieben.
     
    Schon ein paar Tage nach Jonathans Ankunft begannen neue Gäste einzutreffen. Es waren Häuptlinge und Stammesführer der Bazhir – diejenigen, die die Gesetze machten und dafür sorgten, dass sie eingehalten wurden. Jedermann war klar, dass sie gekommen waren, um sich den Mann anzusehen, der das Amt der Stimme der Stämme übernehmen wollte.
    Auch klar war allerdings, dass sie unglücklich waren über das, was sie sahen: den Sohn des verhassten Königs aus dem Norden, der nicht dem Volk der Bazhir angehörte.
    Richtige Probleme gab es erst, als Amman Kemail, Häuptling vom Stamm des Sonnenuntergangsdrachen, zu ihnen stieß. Alanna bemerkte, wie er Jonathan und Ali Mukhtab tagsüber folgte, und der Instinkt, den sie für derartige Dinge besaß, sagte ihr, dass sich da etwas zusammenbraute. Sie erkannte den nachdenklichen Blick, mit dem Kemail Jonathan musterte, während dieser Mukhtabs Fragen beantwortete,
die sich auf die Gesetze der Bazhir bezogen. Es sah aus, als würde Amman Kemail den Prinzen wiegen und für zu leicht befinden. Noch weniger gefiel ihr die Art und Weise, wie andere Männer Kemail beiseitezogen, um mit ihm zu reden. Offensichtlich betrachtete man diesen großen, muskulösen Häuptling als Anführer und seine Ankunft ermutigte viele der übrigen Bazhir ihre Zweifel an Ali Mukhtabs Wahl zu äußern.
    »Es wird Ärger geben«, sagte Alanna zu Jonathan, als sie sich vor dem Abendessen wuschen. »Mit Amman Kemail. Wetten?«
    Jon reckte sich hoch. Er war gekränkt, das sah man ihm an. »Willst du andeuten, dass ich nicht selbst auf mich aufpassen kann? Ich wäre dir dankbar, wenn du dir in Erinnerung riefest, dass ich schon zum Ritter geschlagen wurde, als du noch Knappe warst – mein Knappe!«
    »Was ist denn neuerdings mit dir los?«, rief Alanna gereizt. »Entschuldigt bitte vielmals, Eure Königliche Hoheit! Mir war nicht bewusst, dass ich dein Können in der männlichen Kunst der Selbstverteidigung in Frage stellte. Ich war dumm genug mich um dein Wohlergehen zu sorgen! Vergib mir! Erlaub deiner untertänigen Dienerin, dich daran zu erinnern, dass mit diesen Leuten nicht zu spaßen ist!« Sie schleuderte ihr Handtuch weg und stapfte nach draußen, wobei sie die Zähne so fest zusammenbiss, dass ihr der Kiefer schmerzte.
    Jon war schon seit seiner Ankunft so empfindlich. Fast sah es so aus, als wolle er sich selbst und ihr irgendwas beweisen. Das passte ihr nicht. Im Palast hatten sie sich, so schien es damals, nur ihre Leidenschaft beweisen müssen. Dieser Teil ihrer Liebe hatte sich nicht geändert, aber wenn Jon jetzt
redete, hatte sie manchmal Lust, sich die Ohren zuzuhalten, um seine Stimme nicht hören zu müssen.
    Wer von uns beiden hat sich verändert?, fragte sie sich, als sie sich zu den Bazhir-Männern setzte. Und warum, im Namen der Mutter?
    Einen Augenblick oder zwei später nahm Jon seinen Platz neben Ali Mukhtab ein. Er warf Alanna einen Blick zu und schüttelte lächelnd den Kopf. Als wäre ich ein widerspenstiges Kind, das einen kleinen Wutanfall gekriegt hat, sagte sie sich. Sie sah zu Trusty hinüber, der sich eben vor ihr niederließ und wild mit dem Schwanz zuckte. Also war er ebenso wie sie auf irgendwelche Schwierigkeiten gefasst.
    Amman Kemail wartete, bis die Frauen begannen Essen herumzureichen. Gerade bot Ali Mukhtab Jonathan ein Stück seines Brots an, als sich der Häuptling vom Stamm der Sonnenuntergangsdrachen erhob und auf den Prinzen deutete.
    »Ich werde kein Brot brechen mit dem Sohn des nordischen Königs!«
    Die wenigen Gespräche, die im Gange waren, versiegten. Myles, der neben Alanna saß, flüsterte: »Hätte ich mir denken können.«
    Langsam sah Ali Mukhtab zu dem stehenden Mann auf. »Hast du eine Klage vorzubringen, Amman Kemail?«
    »Er ist keiner von uns. Er hat sich nicht das Recht verdient, in Frieden mit uns zu sitzen oder Brot aus der Hand der Stimme der Stämme entgegenzunehmen. Soll er sich vor unser aller Augen in einem Zweikampf beweisen!«
    »Jonathan, Sohn des nordischen Königs, wurde zum Zweikampf herausgefordert«, sagte Ali Mukhtab tonlos. »Wer hat etwas dagegen einzuwenden?«

    Bevor sich Alanna erheben konnte, packten Kara und Kourrem sie bei den Schultern. Trusty hüpfte auf ihren Schoß.
    »Denk doch nach!«, zischte Myles. Rasch fuhr er fort: »Sie akzeptieren ihn nicht einmal als Krieger, geschweige denn als Stimme. Wenn du

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