Alanna - Das Lied der Loewin
eine Erbin, die Ländereien zu verwalten weiß.«
»Mit Corams Hilfe«, erinnerte sie ihn.
»Mit Corams Hilfe. Aber die wichtigen Entscheidungen trafst du. Und ich weiß, dass dir die Baronie Olau ebenso am Herzen liegt wie mir.« Er rieb sich die Hände. »Wie wär’s mit was zu essen, nachdem die Sache jetzt entschieden ist?«
Alanna wusch gerade das Frühstücksgeschirr ab, als Farda zu ihr kam. »Ich hätte gern unter vier Augen mit dir gesprochen. Und ich glaube, dass du anderweitig gebraucht wirst, wenn ich fertig bin.«
Alanna sagte Umar Komm Bescheid, dem ältesten und angesehensten der Schamanen, die nun die »Zauberschule« abhielten.
Als er nickte, verließ sie ihr Zelt, in dem sich die von auswärts kommenden Schamanen, Lehrlinge, Jonathan und Myles tummelten. Farda führte sie in ihr eigenes Zelt, wo sie ihr einen Becher Tee in die Hand drückte.
»Es geht um die Stimme der Stämme«, sagte sie übergangslos. Ihr unansehnliches Gesicht war bekümmert. »Er ist krank. Ich weiß nicht genug, um sagen zu können, was er hat, aber dass es ihm schlecht geht, ist mir klar. Er hat mich versprechen lassen dir nichts zu verraten, aber ich kann nicht länger schweigen.«
Alanna runzelte die Stirn. Auch ihr war in letzter Zeit aufgefallen, wie blass Ali Mukhtab war. Aber sie hatte ihn immer nur abends gesehen und das flackernde Licht der Fackeln und des Feuers dafür verantwortlich gemacht. »Ich brauche meine Heilertasche«, murmelte sie. Farda reichte sie ihr schweigend; sie musste eines der Mädchen danach geschickt haben. »Warum kommst du ausgerechnet zu mir? Sicher könnte einer der Schamanen, die hier zu Besuch sind ...«
Farda richtete sich gekränkt auf. »Du bist die Schamanin des Stammes. Soll ich unseren Gästen sagen, unsere Schamanin sei nicht gut genug für die Stimme der Stämme?«
Alanna lächelte. »Tut mir leid, dass ich fragte.«
Ali Mukhtab zog eine Grimasse, als sie sein Zelt betraten. »Keine Frau, nicht einmal Farda, kann den Mund halten«, schimpfte er. Er war blass und schwitzte, als er sich auf sein Lager zurücksinken ließ.
Alanna kniete sich neben ihn und öffnete die Tuchtasche, in der sie ihre Heilutensilien aufbewahrte. »Farda hat richtig gehandelt. Sei still!«
Die Untersuchung war kurz. Sie brauchte nur mit ihrer
Gabe in ihn zu fühlen. Dort, in seiner Brust verwurzelt, war der Tod – schwarz, hässlich und zerstörerisch.
Als sie sich auf ihre Fersen zurücksetzte, war ihr Gesicht so blass wie seines. »Du wusstest schon eine ganze Weile Bescheid«, beschuldigte sie ihn. »Unmöglich, dass du es nicht wusstest.«
»Der Stimme ist es gegeben, ihr eigenes Ende zu sehen«, stimmte er zu.
»Warum hast du dich nicht darum gekümmert?«, fragte sie. Ihr war ganz elend vor Kummer. Sie mochte Ali Mukhtab. »Zu Anfang hätte dieses Leiden sogar von einem vollkommen unerfahrenen Schamanen geheilt werden können.«
»Meine Zeit ist gekommen«, antwortete die Stimme müde. »Ich werde nicht dagegen ankämpfen.«
»Wenn du es getan hättest, wärst du heute gesund.«
Er lächelte. »Arme Frau-die-wie-ein-Mann-reitet. Du weißt so viel und doch weißt du gar nichts.«
»Ich kann nur noch wenig tun«, erklärte sie ihm leise. »Die Krankheit ist zu weit fortgeschritten.« Sie nahm seine Hand. Durch ihre Tränen hindurch nahm sie ihn nur noch verschwommen wahr. »Es tut mir so leid, Ali Mukhtab.«
Als Antwort drückte er ihr die Hand. »Kannst du mir helfen, die Schmerzen zu lindern? Ich muss Prinz Jonathan unsere Gesetze lehren.«
Sie nickte. Bedächtig griff sie mit ihrer Gabe nach ihm und ließ das violettfarbene Feuer durch ihre vereinten Hände in seinen Körper fließen.
Die Falten in seinem Gesicht glätteten sich; er schlief ein.
Alanna schüttelte den Kopf, um ihre Benommenheit loszubekommen, und machte sich daran, in einem kleinen Gefäß
Kräuter zu mischen. Sie sah zu Farda auf. »Wenn er erwacht, gießt du ihm aus einer Prise davon Tee auf!«, flüsterte sie. »Aber nimm nicht mehr – es ist sehr stark. Und jeden Morgen braucht er mich, damit ich meinen Zauber spreche.«
Als sie zur Tür ging, hielt Farda sie auf. »Wie lange noch?«, fragte die Hebamme. Sie schaute sie aus ihren dunklen Augen traurig an.
Alanna zuckte die Achseln. Sie war müde. Die Last, die sie zu tragen hatte, war zu schwer für sie. »Wenn ich nichts Unnatürliches tue, hat er noch einen Monat«, sagte sie nur und trat hinaus in den strahlenden Sonnenschein. Falls
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