Alanna - Das Lied der Loewin
Lampen zu löschen. Jonathan sah ihr zu, während sie im Zelt umherging. »Was gibt es zu grinsen?«, wollte er wissen, als sie die letzte Lampe auspustete.
Sie legte sich wieder zu ihm, kuschelte sich an seine Schulter und lächelte zufrieden. »Tja«, sagte sie. »Unter den Bazhir tragen sonst nur die ›schlechten Frauen‹ keinen Schleier. Ich trug bis zum heutigen Tag keinen, aber einen schlechten Ruf habe ich mir erst heute Abend eingehandelt.«
Jon lachte vergnügt in sich hinein und küsste sie. »Ich freue mich das zu hören. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht unter all diesen gutaussehenden Männern.«
»War nicht nötig«, sagte sie lächelnd. »Sie respektieren mich als Schamanin und als Kriegerin, aber daran, dass ich eine Frau bin, denken sie die meisten Zeit nicht einmal.«
»Wie dumm von ihnen«, flüsterte Jonathan. »Ich kann das nicht vergessen – obwohl ich es im Verlauf der letzten Monate versuchte.«
»Daran habe ich nicht gezweifelt«, sagte Alanna mit gedehnter Stimme. Sie musste daran denken, wie die Damen am Hof von Tortall den Prinzen in Scharen umringten.
Eine Weile lagen sie schweigend im Dunkeln, dachte nach und waren zufrieden, sich in den Armen zu halten. »Jon?«, sagte Alanna dann.
»Ich plane das Amt der Stimme der Stämme zu übernehmen.« Er streichelte ihr übers Haar.
Alanna setzte sich auf. »Woher wusstest du, dass ich dich genau das fragen wollte?«
Sie spürte, wie er die Achseln zuckte. »Ich wusste es eben.« Langsam legte sie sich wieder hin. »Ali Mukhtab sagte, die Zeremonie sei gefährlich.«
»Ich brauche die Macht, die mir dieses Amt bringt. Die Bazhir sind ein unglaubliches Volk, Alanna. Ihre Geschichte ist so alt wie die unsrige, nein, älter. Und wir verlieren zu viele Männer an sie. Es wird für alle besser sein, wenn sie
sich zu Tortall bekennen, anstatt unsere Heere in unserem eigenen Land in Trab zu halten.«
»Ich bin glücklich hier bei ihnen«, gestand Alanna. »Ich werde froh sein, wenn sie keinen Krieg mehr führen gegen unsere Soldaten.«
»Bist du so zufrieden, dass du nicht mehr in Betracht ziehst von hier fortzugehen?«
Alanna wurde misstrauisch. Sie erstarrte. »Bevor ich wegkann, muss ich Kara und Kourrem durch das Schamanenritual führen. Warum?«
»Ich hatte gehofft, dass du heimkommst, wenn das erledigt ist.«
»Ich bezweifle, dass sich der Skandal, den es nach meinem Zweikampf mit Herzog Roger gab, schon gelegt hat«, erinnerte sie ihn.
Er brachte sie zum Schweigen, indem er ihr eine Hand auf die Lippen legte. »Komm mit als meine Verlobte!«
Das Wort lag zwischen ihnen und wurde größer und immer größer. Schließlich stieß Alanna hervor: »Ich kann nicht, Jon.«
»Wieso denn nicht?«
»Weil ich einen Skandal verursacht habe. Ich tötete deinen Vetter. Und sechs Jahre lang war ich als Junge verkleidet ...«
»Ich wusste fast die ganze Zeit Bescheid.«
»Du solltest eine Prinzessin heiraten, die dir Macht bringt und Gold«, fuhr sie fort. »Das ist deine Pflicht. Und eine Jungfrau müsstest du wählen.«
»Du warst Jungfrau, als wir das erste Mal miteinander schliefen.«
»Bloß weiß das keiner außer dir!«, rief sie aufgebracht. Als ihr einfiel, wie dünn die Zeltwände waren, senkte sie die
Stimme. »Sie werden sagen, ich sei hinter deinem Rücken mit einem ganzen Regiment im Bett gewesen.«
»Glaubst du, deine Freunde würden ein derartiges Gerede dulden? Du hast mehr Freunde am Hof, als du denkst. Und was meine Heirat mit einer Frau betrifft, die mir Macht bringt – was ist denn mit dir? Du bist Ritterin und Schamanin der Bazhir. Selbst wenn ich die Tochter eines Bazhir-Häuptlings heirate, wäre das meinem Status weniger dienlich als eine Heirat mit dir. Außerdem«, fuhr er fort und plötzlich klang seine Stimme hart, »außerdem habe ich es satt, mir über derartige Dinge Sorgen zu machen. Ich will tun, was mir Freude macht, und nicht nur das, was für Tortall gut ist. Ich habe mich mein ganzes Leben in Acht genommen, was ich sage und was ich tue, weil ich Angst hatte, ich könnte die Händler, die Gallaner, die Priester oder sonst irgendwem ärgern. Aber eigentlich müssten die ja Angst haben, dass sie mich verärgern – nicht umgekehrt.«
»Willst du mich deshalb heiraten?«, flüsterte sie. »Weil du allen beweisen willst, dass es dir egal ist, was sie von dir halten?«
Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort; dann sagte er sehr leise: »Ich dachte, du liebst mich, Alanna.«
»Das tue ich
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