Alanna - Das Lied der Loewin
ein.
»Am Tag, als ich hierher zurückkam, stiegen die Wetten. Bis dahin standen sie fifty-fifty, aber jetzt stehen sie zu ihren Gunsten«, antwortete Marek. »Stefan in den Palastställen sagte, Josiane hätt den Prinzen nicht geschickter belagern können, wenn er ein Schloss und sie der General über alle königlichen Heere wär. Kaum sei er von der geheimnisvollen Reise zurückgekommen, da hätt man sie ihm vorgestellt und seitdem wär er nicht mehr von ihrer Seite gewichen.«
»Das sollten wir dem Mädchen verheimlichen«, sagte Coram sorgenvoll. »Sie ist halb wahnsinnig seit dem Streit mit ihm. Ich mag gar nicht dran denken, was sie täte, wenn sie es wüsste.«
Alanna biss sich auf die zitternden Lippen und schlich sich von der Tür fort. Also hatte Jonathan Ersatz gefunden, und zwar ziemlich schnell. Sie rannte auf die Terrasse hinaus, wo sie aufs Meer hinunterstarrte. Während sie Trübsal blies, ihren Freunden das Leben schwermachte und sogar eine Entschuldigung in Betracht zog, tanzte und flirtete er mit einer unbekannten, aber bildschönen Prinzessin. Also war es ihm gar nicht ernst gewesen mit seinem Heiratsantrag, und sie hatte sich aufgeführt wie eine Närrin.
»Wie viel hast du gehört?« Georg trat mit ernster Miene auf die Terrasse.
Alanna warf ihm ein gekünstelt-fröhliches Lächeln zu. »Was ich gehört habe? Hätte ich irgendwas hören sollen?«
Er legte den Arm um ihre Schultern. »Kleine, ich bin weder blind noch dumm. Du hast mitgehört, wie Coram, Marek und ich uns über Jons neueste Eroberung unterhielten. Ich kann spüren, wenn du in der Nähe bist, wusstest du
das? Das ist der einzige Blick, den mich meine Sehergabe auf dich werfen lässt.«
Alanna schreckte überrascht aus ihren trüben Gedanken hoch. »Ich hatte ganz vergessen, dass du die Sehergabe hast.«
»Was dich oder irgendeinen anderen betrifft, der die Zaubergabe hat, ist sie so gut wie nutzlos, weil ihr durch einen undurchdringlichen Schleier geschützt seid. Sowieso ist meine Sehergabe nicht so stark wie die meiner Mutter. Trotzdem kann ich spüren, wenn du in der Nähe bist, also wusste ich, dass du lauschst.« Als sie nichts sagte, fuhr er fort: »Erzählst du mir jetzt , was zwischen dir und Jon in der Wüste passiert ist?«
Alanna ließ die Schultern hängen. Sie ließ es geschehen, dass er sie zu einem Sitz auf der Terrassenmauer schob. Er setzte sich neben sie. Als sie leise sagte: »Wir haben uns gestritten«, zog er sie mit dem Arm, der immer noch auf ihren Schultern lag, zu sich heran. Langsam, stockend erzählte sie ihm die Sache bis ins kleinste Detail, ohne sich zu schonen. »Vielleicht habe ich einen falschen Stolz an den Tag gelegt«, gestand sie, als sie fertig war. »Vielleicht hätte es mir nicht geschadet, wenn ich mitgekommen wäre, ohne ein Theater zu veranstalten, nur weil er mich nicht erst fragte. Mir gefiel nicht, was er sagte, aber vergraulen wollte ich ihn auch nicht.«
»Da sprichst du mit dem falschen Mann.« Georgs Stimme war sonderbar heiser. Zum ersten Mal, seit sie angefangen hatte zu reden, sah Alanna auf und begegnete seinem Blick. Er drehte sie zu sich um und legte ihr seine Hände auf die Schultern. »Ich bin froh, dass er dir gezeigt hat, was für eine stolze, undankbare Bande die Edlen sind, dass sie nur an sich selbst denken und sonst an keinen.«
»Ich bin auch eine Edle«, flüsterte sie. Es gelang ihr nicht, seinem sehnsüchtigen Blick auszuweichen.
»Nein. Du bist meine süße Alanna und die einzige Frau, die ich mir jemals wünschen könnte.« Er zog sie an sich und küsste sie. Einen Augenblick lang setzte sich Alanna überrascht zur Wehr, dann entspannte sie sich, genoss den Kuss und das Gefühl des Beschütztseins, das ihr die enge Umarmung gab. Georg wich zurück und musterte sie eingehend. »Abgesehen von Prinz Jonathan schwimmen noch eine Menge Fische im Meer herum«, erklärte er ihr mit sanfter Stimme. »Und dieser besondere Fisch hier liebt dich mit seinem ganzen diebischen Herzen.«
Alanna kuschelte sich an ihn und hob wieder ihr Gesicht. »Das ist schön«, sagte sie ehrlich. »Im Augenblick kann ich Liebe gebrauchen. Gib mir noch einen Kuss, bitte!«
»Oh nein«, sagte Georg und holte mühsam Luft. »Wenn ich dich jetzt noch mal küsse, dann führt eins zum anderen und für ein derartiges Treiben ist hier nicht der rechte Platz.«
»Dann bring mich an einen Platz, der sich eignet!«, schlug sie vor. Als er zögerte, fügte sie hinzu: »Ich weiß, was ich
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