Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
Vom Netzwerk:
Dorfes hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Ein großer, knochiger
Mann in zerlumpten, grauen Kleidern stand auf einer Plattform, wo er die Umstehenden weit überragte. Alannas Sinne prickelten, da sie mit einem beklommenen Gefühl etwas erkannte, als sie mit Coram zusammen unter dem Dachvorsprung einer großen Hütte Halt machte. Sie sahen sich um, ob außer den Dorfbewohnern, die Stöcke und landwirtschaftliche Gerätschaften schwenkten, noch bewaffnete Männer da waren, und warteten ab, was da eigentlich vor sich ging.
    »Yahzed wird sich eurer Seelen bemächtigen!«, brüllte der Mann auf der Plattform. Seine weit aufgerissenen Augen leuchteten vor fanatischer Freude. Hinter ihm ragte ein hoher Pfosten zum Himmel auf, bei dessen Anblick Alanna der Schweiß ausbrach. Wo hatte sie dieses Bild schon einmal vor Augen gehabt? »Yahzed ist wütend; er ist außer sich vor Zorn! Gehorcht seinem Befehl! Reinigt euch von dem alten Übel, oder Yahzed wird mit Seuchen und Hungersnot kommen, und dann wird er euch reinigen! Gehorcht dem Diener Yahzeds! Nur dann werdet ihr dem Zorn des Gottes der Steine entgehen!«
    Eine Schar von Männern hatte sich um den hohen Pfahl zusammengerottet. Sie schienen mit irgendjemandem zu kämpfen. Jetzt fiel es Alanna wieder ein: Diesen Ort und den Wahnsinnigen hatte sie schon zweimal gesehen; aber nur in der zweiten Vision, in der, die ihr kurz vor Ishaks Tod erschienen war, hatte sie auch eine am Pfahl verbrennende Frau gesehen.
    »Dieser Yahzed ist einer der Götter Scanras, glaube ich. Ein ekelhafter Kerl, ein verbissener Feind von Hexerei und jeglicher Art von Magie ...«, flüsterte Coram.
    Alanna zog die Stirn in Falten. Wieso hatte ihr die Göttin diese Vision geschickt? Welche Bedeutung hatte sie?

    Der Geruch von brennendem Holz stieg ihr in die Nase. Jemand schrie in Todesangst.
    »Jetzt erledigt ihr Yahzeds Arbeit!«, schrie der Priester. »Verbrennt die Zauberin! Reinigt das Dorf von diesem Makel!« Die Leute brüllten vor Genugtuung; die Frau auf dem brennenden Scheiterhaufen stieß wieder einen Schrei aus.
    Alanna reagierte. Noch vor einem Jahr hätte sie gezögert. Vor einem Jahr war sie noch nicht Schamanin der Bazhir gewesen. Purpurfarbene Feuerblitze flammten aus ihren Händen auf und stießen diejenigen zu Boden, auf die sie trafen. »Nein!«, schrie sie. Als sich die Dorfbewohner umdrehten, um sich auf sie zu stürzen, zückte sie ihr Kristallschwert und ließ zu ihren Füßen einen Graben in der Erde entstehen.
    »Dämonin!«, rief der Priester. Er hielt einen langen, schwarzen Anhänger empor, der die Form eines Sternes hatte. Der Juwel in seiner Mitte blitzte in der Sonne und fing Alannas Blick ein, doch diesen Trick hatte man schon mal mit ihr versucht, und Herzog Roger hatte sich wesentlich geschickter dabei angestellt. Sie streckte die Hand aus, hielt ihren Löwenschild zwischen sich und den Priester und wisperte Zauberworte. Der Priester kreischte auf, als erst der Juwel und dann der ganze Anhänger bebte und in seiner Hand zu tausend Stücken zersprang.
    Mit verbissener Miene ritt Alanna vorwärts, gefolgt von Coram. Vor ihr stand Trusty aufrecht im Sattel, machte einen Buckel, sträubte das Fell und fauchte vor Wut. Schreiend und eine Hacke schwingend, kam ein Dorfbewohner auf Alanna zugerannt. Coram drängte sich auf seinem Braunen dazwischen. Er stieß den Mann mit der flachen Seite seines Breitschwerts beiseite. Mehrere Steine flogen vorbei, einer traf Alanna am Kopf. Einen Augenblick lang schwankte sie
benommen. Wut stieg in ihr auf und schoss als magischer Blitz aus ihrem Kristallschwert hervor, der drei der Steinwerfer durch die Luft schleuderte. Die Dorfbewohner ergriffen die Flucht.
    Alanna warf Schwert und Schild beiseite.
    Dann hob sie beide Hände zum wolkenlos klaren, azurblauen Himmel empor. »Göttin!«, rief sie ihre Schutzpatronin an. »Gebt mir Regen!«
    Einen Moment lang stand die Zeit still. Dann begann der Glutstein in einem langsamen, majestätischen Rhythmus zu pulsieren; große Gewitterwolken schoben sich vor die Sonne. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag ertönte, dann strömte Regen vom Himmel herab, der das Feuer am Pfahl löschte.
    »Ich dank dir, Muttergöttin«, flüsterte Alanna, die nun, da sie ihre Zauberkraft so stark in Anspruch genommen hatte, die ersten quälenden Anzeichen von Erschöpfung verspürte. Mit einem Dolch in der Hand stürzte sich der Priester auf sie, doch Trusty machte einen Satz und landete in seinem Gesicht.

Weitere Kostenlose Bücher