Alanna - Das Lied der Loewin
währenddessen über alles nach, was sie seit Raouls Auftauchen in Udayapur erfahren hatte.
Jonathan schloss hinter Gary die Tür und kehrte zu Alanna an den Tisch zurück. »Bitte denk nicht, dass du irgendwie festsitzt, nur weil du mein Kämpe bist«, sagte er ein wenig besorgt. »Die Zeiten, wo ein Kämpe das Gesetz des Königs
mit seinem Schwert verteidigen musste, liegen längst hinter uns. Ich nehme an, dass du auch in Zukunft umherstreifen kannst, so viel du willst.«
Alanna lächelte. »Gut. Nicht, dass es mir keinen Spaß macht, zu Hause zu sein. Bloß gibt es einfach Orte, die ich noch nicht kenne. Aber wenn du mich brauchst, werde ich immer bei dir sein.«
»Das freut mich.« Ein unbehagliches Schweigen senkte sich herab, bis sie unvermittelt fragte: »Machst du immer noch dieser Prinzessin, von der ich hörte, den Hof? Prinzessin Josiane, die ich gestern Abend kennenlernte?«
Jonathan lief rot an und schüttelte den Kopf. »Sie gefällt sich zu sehr als Prinzessin. Außerdem ist sie grausam. Sie verbirgt es gut, aber sie ist es.« Er spielte mit den Papieren, die vor ihm lagen. »Bist du eifersüchtig?«, fragte er. Jetzt klang seine Stimme scharf. »Mir fiel auf, dass du auch nicht gerade viel Zeit verschwendet hast, bis du Ersatz für mich fandest. Nicht einen, sondern gleich zwei, wenn man Georg und Liam Eisenarm zählt.«
Jetzt war es Alanna, die rot wurde. »Eifersüchtig bin ich nicht«, sagte sie schließlich. »Ich hätte dir nur einen besseren Geschmack zugetraut.«
Jonathan starrte auf den Tisch hinunter. »Mein Heiratsantrag gilt immer noch, falls du willst.«
Sie sah ihn an. Ein Teil von ihr wollte »Ja« sagen, aber nur ein sehr kleiner. »Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, Jon, aber inzwischen sind wir zwei ganz verschiedene Menschen geworden. Wie verschieden, ist mir erst bei dieser Ratsversammlung klar geworden.«
»Komisch«, entgegnete er nachdenklich. »Ich schaue dich an und sehe, dass du an Orten warst, wo ich nie hinkommen
werde.« Er lächelte wehmütig. »Du hast dich, während ich nicht aufpasste, unversehens in eine Heldin verwandelt.«
»Sag das nicht. Ich bin immer noch ich.« Alanna ging hinüber und setzte sich vor ihm auf den Tisch. Dann nahm sie seine Hand und betrachtete sie. Dabei dachte sie: Er hat Besseres verdient als eine Frau, die findet, ihn zu heiraten sei genau dasselbe, wie sich freiwillig in einen Käfig sperren zu lassen. Und ich will einen, der nicht mit einem ganzen Königreich verheiratet ist. Wir kamen gut miteinander zurecht, als ich sein Knappe war – vielleicht vertragen wir uns als König und Kämpe sogar noch besser. Jetzt fühlte sie sich wohler. »Jon, eine Ehe zwischen uns wäre eine Katastrophe – das weißt du ebenso gut wie ich.«
Jetzt sah er sie an. »Ich wollte keinen Rückzieher machen, nachdem ich dir mein Wort gegeben habe«, erklärte er. Was darüber hinaus in ihm vor sich ging, las sie in seinen Augen. »Ich bat dich schließlich damals um deine Hand ...«
Seine offensichtliche Erleichterung tat ihr weh, aber sie war trotzdem überzeugt, dass sie das Richtige tat. »Und ich sagte Nein. Nein danke. Ich liebe dich, Jon. Wir haben eine Menge zusammen durchgemacht. Aber was wir vom Leben erwarten...« Sie deutete auf seine Papiere. »Du magst diese Verwaltungsaufgaben. Ich bin eine Frau der Tat. Und ich will sagen können, was ich denke.« Sie sah eine halb unter anderen Dokumenten versteckte Skizze und zog sie hervor.
»Nicht ...«, sagte Jon, aber es war schon zu spät. Alanna wedelte mit der Zeichnung von Thayet vor seinem Gesicht herum und grinste. »Du willst mich also immer noch heiraten, Majestät? Oder wolltest du dich nur überzeugen, ob du freie Bahn hast?«
Jon wurde rot vor Verlegenheit. »Mach dich nicht über
mich lustig. Du weißt, dass ich dich heiraten würde, wenn du einverstanden wärst.«
»Den Göttern sei gedankt, dass wenigstens einer von uns vernünftig ist.« Sie betrachtete die Zeichnung genau. »Du machst dich. Als du damals Delia maltest, sah sie aus wie eine Kuh.« Sie krauste die Lippen und fügte nachdenklich hinzu: »Wenn ich es mir recht überlege, dann war dein Modell ja vielleicht tatsächlich eine ...«
Jon lachte so schallend, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: »Ich brauche dich hier, und wenn es nur ist, weil du mich zum Lachen bringst.«
»Ich bin nicht sicher, ob das ein Kompliment ist«, sagte sie trocken und gab ihm
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